Über Zeichensetzung ...

... ist man oft genug nicht einer Meinung. Heißt es zum Beispiel richtig "Ich hoffe, es geht Ihnen gut und grüße Sie herzlich." oder "Ich hoffe, es geht Ihnen gut, und grüße Sie herzlich."?
Selber verwende ich das zweite Komma, weil "es geht Ihnen gut" ein eingeschobener Satz ist.
Vielleicht ist das falsch oder zumindest veraltet, zieht man die "Neue deutsche Rechtschreibung" mit ihren vereinfachten Zeichensetzungsregeln in Betracht.
Diese führen dazu, daß dort, wo nach meinem Dafürhalten ein Komma hingehörte, es vielfach weggelassen wird, so daß sich Verständnisschwierigkeiten ergeben können. Beispiel:

Doppeldeutig
Klaus sagt Werner hat ein neues Auto.
Klaus sagt, Werner hat ein neues Auto.
Klaus, sagt Werner, hat ein neues Auto.

Makaber
Komm wir essen Opa - Komm, wir essen, Opa! (Vielfach im Internet zu finden.)

Aus dem Wirtschaftsleben
"Parteien die Ware untereinander Handeln schließen Verträge." (Auch zu "falsche Groß- und Kleinschreibung".)

Aus einem Mathematik-Forum:
Ohne Satzzeichen:
"ich arbeite natürlich aufdem lösungs weg mit das ist selbstverständlich wer mir lösungen parat reinstellt hilft mir wenig also muss ich nun einfach -1 einsetzten meinst du das"
"hier soll das oder in der wenn oder funktion ersetzt werden die oder Funktion bedeutet ja das nur eine von 2 Bedingungen zutreffen muss im Gegensatz zu der und Funktion wo beide Bedingungen zu treffen müssen das ganze in der Excel Tabelle"
Fast ohne Punkt:
"Hi, ich mache auch Bachelor und ich muss sagen das bei uns die Durchfallqouten in Thermodynamik, Physik, Mathe und so weiter eigentlich immer bei 80-90% liegen, bei höMa 2 waren es von ca. 90 Studenten 5 die es bestanden haben, ich zum glück auch, wenn auch nicht gut, was eigentlich bei den Diplomern nicht sein kann, ist dass die Vordiplomsnote nicht mit eingeht, obwohl da ja meist Nebenfächer drin sind, für die man schon was tun muss, also jetzt am Beispiel meiner Freundin, die Biologie auf Diplom macht, für Mathe und Physik musste sie echt was tun, hat beide auch mit sehr gut bestanden, nun finde ich es aber ungerecht, weil ihr das nur bei der Vergabe von Blöcken vorteile bringt und danach nichtmehr so Interessiert, obwohl da es auch Leute gibt die da viel schlechter sind."

"Die Lösungen sind zur Selbstkontrolle ja angebeben ich habe sonst hätte ich ja gar keine Chance mehr bei Aufgaben die dann doch schwerer werden folgendes gefunden allein die Mühe bis man Brauchbares gefunden hat."

"Kommentare in JavaScript helfen sich schnell wieder zu Recht zu finden, ..." Hier musste ich zweimal lesen, um zu verstehen, was gemeint ist. Selbst war ich dies gewohnt: "Kommentare in JavaScript helfen, sich schnell wieder zurechtzufinden, ..." Das erste entspricht der aktuellen Rechtschreibregelung; meins wurde früher in der Schule gelehrt und gelernt.

In der klassischen Literatur, zum Beispiel bei Heinrich von Kleist, finden wir lange Sätze wie den folgenden, bei denen die ausschließliche Verwendung des Kommas ein besonderes Stilmittel bildet:

"In einem bei Jena liegenden Dorf, erzählte mir, auf einer Reise nach Frankfurt, der Gastwirth, daß sich mehrere Stunden nach der Schlacht, um die Zeit, da das Dorf schon ganz von der Armee des Prinzen von Hohenlohe verlassen und von Franzosen, die es für besetzt gehalten, umringt gewesen wäre, ein einzelner preußischer Reiter darin gezeigt hätte; und versicherte mir, daß wenn alle Soldaten, die an diesem Tage mitgefochten, so tapfer gewesen wären, wie dieser, die Franzosen hätten geschlagen werden müssen, wären sie auch noch dreimal stärker gewesen, als sie in der That waren."

(Anfang der "Anekdote aus dem letzten preußischen Kriege", vollständig zitiert in http://de.wikisource.org/wiki/Anekdote~)
Eine längere Passage nur mit Kommas findet man auch in Mark Twains Herrn Blokes "Eingesandt" (Project Gutenberg).

Hier ein professoraler Bandwurmsatz des Philosophen Kant, dessen Sinn mir verborgen bleibt:

"Ohne hier mit der natürlichen Vernunft über ihren Schluß zu schikanieren, da sie aus der Analogie einiger Naturprodukte mit demjenigen, was menschliche Kunst hervorbringt, wenn sie der Natur Gewalt tut, und sie nötigt, nicht nach ihren Zwecken zu verfahren, sondern sich in die unsrigen zu schmiegen (der Ähnlichkeit derselben mit Häusern, Schiffen, Uhren), schließt, es werde eben eine solche Kausalität, nämlich Verstand und Wille, bei ihr zum Grunde liegen, wenn sie die innere Möglichkeit der freiwirkenden Natur (die alle Kunst und vielleicht selbst sogar die Vernunft zuerst möglich macht), noch von einer anderen obgleich übermenschlichen Kunst ableitet, welche Schlußart vielleicht die schärfste transz. Kritik nicht aushalten dürfte: muß man doch gestehen, daß, wenn wir einmal eine Ursache nennen sollen, wir hier nicht sicherer, als nach der Analogie mit dergleichen zweckmäßigen Erzeugungen, die die einzigen sind, wovon uns die Ursachen und Wirkungsart völlig bekannt ist, verfahren können."

(Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, zitiert in http://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/aa03/417.html, Zeilen 03 bis 19.

Über Kant schrieb Robert Gernhardt ein paar lustige Verse, die z. B. hier wiedergegeben sind.


Kant war nicht der einzige, der - für mich - ungenießbar lange, verschachtelte Sätze schrieb, bei denen ich öfters minutenlang nachdenken muß, was mit ihnen gemeint ist. Ihm gleich tat es zum Beispiel der im 19. Jahrhundert berühmt gewesene Theologe Friedrich Schleiermacher. Proben davon finden sich hier. Wohl dem, der den Sinn des Ganzen ohne große Mühe erfaßt! (Ergänzung: Sch. schrieb an anderer Stelle durchaus verständlich in normalen, nicht überlangen Sätzen, zum Beispiel hier über das Schicksal der Waldenser und Albigenser.)

Ein anderer Satz,
verwunden und unübersichtlich, welcher von einem Bibelübersetzer des 19. Jahrhunderts stammt, der sich gegenüber eventuellen Kritikern seitenlang dahingehend äußert, dass in Psalm 2 nicht von einem eisernen Stab, sondern von einer eisernen Keule die Rede sein müsse, was wiederum mit dem berühmten griechischen Helden Herkules zusammenhänge, ist (man verzeihe mir meine Spottlust, die ich mit dieser imitatio noch ein Stück weiter treiben könnte, worauf ich aber, um die Langmut meiner Leserinnen und Leser nicht über Gebühr zu strapazieren, verzichten möchte) dieser:

"Da einem nachdenkenden Verehrer der geoffenbahrten Religion an den vier Stellen des Buchs Hiob, die ich von der Hoffnung eines zukünftigen Lebens erklärt habe, vorzüglich gelegen seyn kann, und nicht blos solche, die diese Lehre gern aus dem Alten Testament weg hätten, sondern auch Freunde, eifrige Freunde der geoffenbahrten Religion, sich kaum vorstellen können, dass sie in einem so alten Buch, im ersten der Bibel, so deutlich vorgetragen sey, und deshalb immer noch zweifeln, ob die von mir beym 19ten Capitel beybehaltene alte, und die drey andern Stellen gegebene Ihnen neue Erklärung auch die wahre sey: so will ich diese Stellen in einem eigenen Commentario vollständig und philologisch erklären."

(Das Ganze natürlich in "deutscher" Frakturschrift, die Jüngere nur noch selten mühelos lesen können. Gefunden hier auf Seite LII.)

Ebenfalls verschachtelt, trotzdem verständlich – und amüsant:

"Sprich mit langen, langen Sätzen - solchen, bei denen du, der du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren du so sehr benötigst, deiner Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest, genau weisst, wie das Ende ist, die Nebensätze schön ineinander geschachtelt, so dass der Hörer, ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem Kolleg wähnend, in dem er früher so gern geschlummert hat, auf das Ende solcher Periode wartet ... ",

(Kurt Tucholsky: Ratschläge für einen schlechten Redner, Gesammelte Werke, Band VIII, Hamburg 1985, S. 290-292, zitiert in Herrmann Plasa: Einfach besser präsentieren, E-Book)

Falsche Groß- und Kleinschreibung
Falscher Singular
Zweisilbige Wörter
Was mir sonst noch auffiel

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