Kleine Zusammenfassung über den Urknall

Wie entstand die Welt: durch einen göttlichen Schöpfungsakt oder auf andere, naturwissenschaftlich beschreibbare Weise, die hauptsächlich von Atheisten und Agnostikern bevorzugt wird?

Die erste Möglichkeit ist eine religiöse Glaubensüberzeugung, bei der auf logische Beweise kein Wert gelegt wird, und die zweite ein gedankliches Konzept mit Namen "Urknall", das den Gegenstand dieser Untersuchung bildet.

Wenn eine Granate explodiert, haben ihre Sprengstücke verschiedene Geschwindigkeiten. Nach einiger Zeit sind manche weiter vom Explosionsort entfernt als andere. Die am weitesten entfernten sind die schnellsten. Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde dies auf Bewegungen astronomischer Objekte im Weltraum übertragen.

Der amerikanische Astronom Edwin Hubble [1] stellte anhand von Entfernungsmessungen in Kombination mit der spektralen Rotverschiebung von Spiralnebeln fest, dass diese sich umso schneller von uns fortbewegen, je weiter sie entfernt sind.

Wenn sie auseinandergehen, müssen sie früher enger zusammen gewesen sein. Dies führte den belgischen Astrophysiker und Priester Lemaître [2] zu der Vorstellung, dass sie ursprünglich in einem Objekt sehr geringer Größe konzentriert waren, das er "kosmisches Ei" nannte. In ihm sollte das gesamte Universum enthalten gewesen sein. Genaueres darüber vermutete er anscheinend nicht; andere dagegen postulierten ein punktförmiges Gebilde mit unendlich hoher Dichte und Temperatur.

Ein zentraler Ort, von dem aus sich das Universum nach dem Urknall ausbreitete, lässt sich durch astronomische Beobachtungen nicht feststellen. Deshalb dachte man später, dass der Weltraum sich als Ganzes ausdehnt und ein solches Zentrum nicht existiert.

Auch hierfür werden bildliche Gedankenmodelle angeboten. Die bekanntesten sind das Kuchen- und das Luftballonmodell. Bei dem ersteren vergleicht man die Bewegung der Universumsbestandteile voneinander weg mit Rosinen in einem aufgehenden Hefeteig. Bei dem Modell mit dem Ballon stellt man sich vor, dass auf dessen Oberfläche einzelne Punkte farblich markiert sind. Bläst man ihn stärker auf, vergrößert sich ihr Abstand. Beide Modelle, insbesondere das zuletzt genannte, haben ihre Schwächen, worauf zum Beispiel hier [3] näher eingegangen wird.

Hinzu treten weitere Probleme. Eines besteht darin, dass gefragt wird, was vor dem Urknall war. Das wird bisweilen damit zurückgewiesen, dass die Vorsilbe "Ur-" oftmals die Bedeutung "Erstes ohne Vorläufer" hat, vgl. die Wörter "Ureinwohner", "Uraufführung", "Urmeter". Etwas vor dem Urknall könne es, rein sprachlich bedingt, nicht geben.

Dieses Argument greift zu kurz. Es kann höchstens dort gelten, wo deutsch gesprochen wird. Unser Begriff "Urknall" ist eine schlechte Übersetzung (eigentlich gar keine) der im Englischen gebräuchlichen Wörter Big Bang, die einfach nur "Großer Knall" bedeuten. Sie stammen, spöttisch gemeint, von Fred Hoyle [4], einem eigenwilligen britischen Mathematiker und Astronomen, der gegen die Theorie des sich ausdehnenden Universums war.

Eine weitere, oft gestellte Frage ist, warum es plötzlich "knallte" (was natürlich damals nicht zu hören war und nur bildlich gemeint ist). Hierauf findet man keine Antwort.

Problematisch ist vor allem die von den Anhängern der Urknalltheorie angenommene Konzentration der gesamten Materie und Energie des Universums in einem einzigen Punkt. Eine unendlich hohe Dichte und Temperatur gibt es nicht in der Physik. Deshalb wird gesagt, dass die physikalischen Gesetze in dem gedachten Punkt nicht galten und überhaupt erst beim Urknall entstanden.

Dies wird auch vom Raum und von der Zeit behauptet!

Insgesamt haftet der Urknalltheorie Unbestimmtes, Seltsames, Geheimnisvolles an. Hier berührt sie sich mit der Theologie und dem Gedanken an eine göttliche Schöpfung des Universums, die ebenfalls geheimnisvoll bleibt.

Stefan Andres, ein früher sehr geschätzter Autor, schrieb in seinem Buch "Die Biblische Geschichte" einleitend etwas dazu mit einem Anklang an die Behauptung über die Entstehung von Raum und Zeit:

"Im Anfang war nichts da als Gott allein. Nichts war da: nicht die Lichter am Himmel, nicht das Wasser und nicht das Feste, nicht einmal der leere Raum war da und nicht die Zeit. Aber Gott war da und in Gott das Bild der Welt, die er erschaffen wollte. Und als Gott sprach: »Jetzt!«, da war die Zeit da, und als er sprach: »Hier und dort und droben und drunten«, da war der Raum da." (Im Internet wird es ohne Quellenangabe in [5] zitiert.)

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Nun zum Quantitativen. Die einfachste Annahme besteht darin, dass das Weltall sich mit konstanter Geschwindigkeit ausdehnt. Umgekehrt zieht es sich, wenn man in die Vergangenheit blickt, mit dieser zusammen wie bei einem Film, der rückwärts läuft. Dies führt zu einem festen Zeitpunkt für den Urknall, der nach heutiger Ansicht vor rund 14 Milliarden Jahren stattgefunden haben soll:

Abb. 1


Hubble stellte demgegenüber fest, dass die Fluchtgeschwindigkeit v der von ihm untersuchten Galaxien nicht konstant ist, sondern um so größer, je weiter sie vom Beobachtungsort entfernt sind. Bezeichnet man diese Enfernung mit D (von englisch"distance"), dann gilt: v=H0D und heißt Hubblesches Gesetz. In ihm bedeutet H0>0 die Hubble-Konstante.[6] Ihr genauer Wert musste wegen zunehmender Messgenauigkeit mehrfach korrigiert werden und scheint jetzt einigermaßen festzustehen. (Es gibt aber auch die Ansicht, dass es sich um eine zeitlich veränderliche Größe handelt, so dass auch vom Hubble-Parameter gesprochen wird. Hier gehe ich weiter davon aus, dass H0 konstant ist.)

Da v=Ḋ ist (der Punkt bedeutet die Ableitung von D nach der Zeit), gilt auch Ḋ=H0D. Die Lösung dieser Differentialgleichung lautet: D=KeHot.  t von -¥ bis +¥ bedeutet die Zeit und die Konstante K die Distanz D zur Zeit t=0. Graphisch dargestellt, sieht das so aus:

Abb. 2


Es folgt mathematisch aus dem Hubble-Gesetz, das seinerseits aus über tausend Einzelbeobachtungen gewonnen wurde.[6a] Nach dem kopernikanischen Prinzip - die Erde hat, astronomisch gesehen, keine Ausnahmestellung im Universum - ist denkbar, dass sich das von ihr aus erschlossene, exponentielle Wegdriften von Galaxien überall im gesamten Weltall in der gleichen Weise beobachten ließe. Wenn das stimmte, wäre zu erwarten, das dessen Ausdehnungskurve nicht wie in Abb. 1 eine Gerade, sondern gekrümmt ist und ähnlich derjenigen in Abb 2.

Das aber würde bedeuten: das Universum existiert schon immer; es hat keinen Anfang, und somit gab es auch keinen Urknall. Die Frage, was vorher war, erübrigt sich. Für t®-¥ geht seine Größe gegen Null; es wird kleiner als die in [7] erwähnte "Pampelmuse" und als ein "Ei".

Kompliziertere Universumtheorien machen von der Relativitäts- und Quantentheorie Gebrauch und neuerdings von der noch kaum erforschten, geheimnisvollen Dunklen Materie und Energie. Auch gibt es Kosmologen, die es für möglich halten, dass das Universum nach einiger Zeit wieder kleiner wird und bis zur Größe eines Punktes schrumpft, so dass sich ein neuer Urknall ereignen kann.[8] [9]

Nichts ist entschieden, und die weitere Entwicklung des Universums steht buchstäblich "in den Sternen".

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Edwin_Hubble
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Georges_Lema%C3%AEtre
[3] Was war vor dem Urknall?, Beitrag No. 3
[4] http://www.zeit.de/wissen/astronomie/urknall_011994
[5] https://dl.bsu.by/mod/page/view.php?id=5444, die ersten Sätze von Text Nr. 4 – Die Seite existiert nicht mehr.
[6] https://obelix.physik.uni-bielefeld.de/~schnack/teaching/2014-PS/Fakha-Hubble-Gesetz.pdf">
[6a] https://www.physik.uni-bielefeld.de/~yorks/pro13/lietz.pdf, Tafeln 9 und 10
[7] http://www.cfa.harvard.edu/seuforum/bb_whatwas.htm   (mit "grapefruit")
[8] https://www.tagesspiegel.de/wissen/nach-dem-urknall-ist-vor-dem-urknall/4706592.html
[9] https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/vor-dem-urknall~.html

Anm.: Diskutiert über den Ursprung des Universums und einiges mehr wurde auch hier auf dem "Matheplaneten". Die Diskussion basiert auf diesem sehr ausführlichen und lesenswerten Artikel mit religiösen Details früherer Zeiten in verschiedenen Kulturen. Die zweite Hälfte des Artikels enthält mathematisch fundierte Spekulationen über die Entstehung und Entwicklung des Universums, die nicht jeder versteht – ich auch nicht.

Dr. Ludwig Neidhardt: Der Mensch - ein verschwindender Punkt im Kosmos?

Aus einer evanglischen Online-Dogmatik: "Schöpfung, Naturwissenschaft und Urknall"

Eine scharfe Kritikerin gewisser Entwicklungen und Praktiken in der modernen Theoretischen Physik ist Sabine Hossenfelder (Wikipedia, Abschnitt "Lost in Math: ..."). Vieles bezeichnet sie als "nutzlose Spekulation".

Dialog über den Urknall

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