Über Ökumene

Seit Urzeiten glauben Menschen an Gott oder mehrere Götter; bisweilen sind es sehr viele. Dieser Glaube entsteht dadurch, daß es etwas gibt, das die Kräfte und Möglichkeiten des Menschen weit übersteigt. Gott oder die Götter entscheiden über Leben und Tod, versorgen uns mit Nahrung und allem Nötigen, beherrschen die Naturgewalten, die uns zum Segen oder Fluch werden können. Krankheit und Leiden, Frieden und Krieg, Sieg und Niederlage liegen in ihrer Hand. Gott oder die Götter, so wird geglaubt, haben die Welt erschaffen. Alles, was in ihr neu entsteht, was sich entwickelt und wieder vernichtet wird oder scheinbar von selbst vergeht, ist Gottes oder der Götter Werk. Der Glaube an sie enthält Verheißungen und Gebote; er erweckt Hoffnungen, führt zur Dankbarkeit, zu Auflehnung und Ergebung. Was nach dem Tod kommt, ist wesentlicher Bestandteil des Glaubens.

Die Vorstellungen über die Entstehung der Welt, über das, was Gott oder die Götter von uns wollen, ja fordern, und darüber, was uns erwartet, wenn wir tot sind, gehen weit auseinander; auch die Formen der Anbetung und die mit dem Glauben verbundenen Ziele sind sehr unterschiedlich. Den meisten Religionen und Glaubensrichtungen gemeinsam ist, daß jede für sich in Anspruch nimmt, als einzige wahr zu sein, während die anderen teils mitleidig, teils feindlich als Irrglauben und Heidentum bezeichnet werden. Sie zu beseitigen, sei es durch Missionierung mit Worten, sei es mit Gewalt, gilt oftmals als religiöse Pflicht. Einer der schlimmsten Auswüchse hierbei bestand darin anzunehmen, man könne die Seelen "Ungläubiger" und Abtrünniger in den eigenen Reihen ("Ketzer") vor Hölle und ewiger Verdammnis retten, indem man sie qualvoll umbringt. Diese Ansicht und ihre schreckliche Verwirklichung hielten sich in der christlichen Kirche über Jahrhunderte. Im Islam wird direkt dazu aufgefordert, Andersgläubige zu töten1. In Pakistan und Indonesien, aber auch im hinduistischen Indien brennen Kirchen, werden Christen in großer Zahl ermordet2.

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Seit einigen Jahrzehnten beginnt sich die Lage langsam zu verändern. Weitsichtige Geistliche und Laien aus allen großen Weltreligionen gehen davon aus, daß Gott sich in den einzelnen Ländern und Kulturkreisen auf verschiedene Weise offenbart; auch der Glaube an mehrere oder viele Götter wird nicht mehr von allen Anhängern monotheistischer Religionen als verfehlt angesehen und bekämpft. Wichtig scheinen vielmehr diejenigen Grundeinstellungen zu sein, die religionsübergreifend überall zu finden sind und der Menschheit insgesamt dienen können: die Idee des Friedens, des Mitleids mit den Schwachen, die Achtung vor der Schöpfung und die Verehrung für den Schöpfer (oder, wenn an mehrere Götter geglaubt wird, für sie). Der Verzicht auf Rache und Intoleranz sowie auf anderes, zum Teil in den jeweiligen Traditionen Tiefverwurzeltes, kommen hinzu. Auch soll die unselige Aufspaltung in verschiedene Konfessionen innerhalb des Christentums nach Möglichkeit gemildert und im Laufe der Zeit gänzlich überwunden werden. Hierzu sind genaueres Kennenlernen, gegenseitiger Respekt und mehr Liebe als bisher erforderlich, denen Egoismus, Besserwisserei und eigenes Machtstreben immer noch sehr im Wege stehen.

Das Ganze ist ein ehrgeiziges, anscheinend kaum zu verwirklichendes Programm; doch ist ein Anfang gemacht. Es läuft unter der Bezeichnung Ökumene, einem aus dem Griechischen stammenden Wort, das soviel wie "bewohnte Erde" bedeutet. Im engeren Sinne sind damit die Einigungsbestrebungen der christlichen Kirchen untereinander gemeint und im weiteren eine geistig-geistliche Einigung von Menschen in aller Welt mit ihren vielfältigen Glaubensrichtungen und Religionen.

Ein Mittel für gegenseitige Verständigung über Glaubensgrenzen hinweg ist der Dialog; ein anderes sind gemeinsame Veranstaltungen mit religiösem Charakter, an denen Vertreter der verschiedensten Bekenntnisse teilnehmen und sich dabei auf ihre Weise zur Gewaltlosigkeit und zum Frieden bekennen.3

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Außer Anhängern der ökumenischen Idee und Praxis gibt es auch deren Gegner. Diese kritisieren den aus ökumenischen Überlegungen sich ergebenden, teilweisen Verzicht auf christliche Missionierung in nicht von Christen bewohnten Gebieten. Sie sprechen von Verrat an Jesus Christus und den im Glauben an ihn verstorbenen Märtyrer, verweisen auf Stellen in der Bibel, in denen von unchristlichen Irrlehren gewarnt wird und auf die dafür jedem einzelnen angedrohten Strafen. Auch werden von ihnen bestimmte, grundlegende Details bei den in Frage kommenden, nichtchristlichen Religionen wiedergegeben, die eine Einigung mit ihnen unmöglich erscheinen lassen.

Selber werde ich hier für keine der beiden Seiten Partei ergreifen, sondern beschränke mich auf die Angabe zweier Internetadressen, unter denen das Problem ausführlich behandelt wird.

http://www.stjosef.at/konzil/UR.htm
http://www.hauszellengemeinde.de/der_irrweg_des_okumenismus.html

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1http://www.verein-abraham.ch/begriff_erklaerungen_koran.htm
http://www.islaminstitut.de/publikationen/artikel/muslime_ueber_christen_1.htm
(Anmerkung: Im Internet findet man auch Beiträge, in denen bestritten wird, daß Christen getötet werden sollen, wenn sie sich nicht Allah unterwerfen.)

Eine viele Façetten des Verhältnisses des Islam zum Christentum und zur westlichen Welt umfassende Reaktion von Ahmadi-Muslimen auf S. Rushdies "Satanische Verse":
http://www.ahmadiyya.de/library/rushdies_satanische_verse.pdf   mehr

2Zusätzlich: Christenverfolgung aus nichtreligiösen, ideologischen Gründen
in kommunistischen Ländern: http://www.s-line.de/homepages/keppler/christ.htm

3Abschlußerklärungen hoher Religionsvertreter am 28.1.2002 in Assisi
http://www.zenit.org/german/visualizza.phtml?sid=15774
http://www.kipa-apic.ch/meldungen/sep_show_de.php?id=889


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Die Katholische Kirche über ihr Verhältnis zum Islam -
ein Beitrag zur Versöhnung der Religionen
(aus Nostra Aetate - In unserer Zeit, 2. Vatikanisches Konzil, 1962-65)

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Eine private Internetseite, die ohne Polemik und ohne theoretisch überladen zu sein, Gemeinsamkeiten von Religionen hervorhebt, ist die von Jutta Gut, einer christlichen Mathematiklehrerin.

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Aurelius Augustinus:
"In notwendigen Dingen - die Einheit.
In fraglichen Dingen - die Freiheit.
In allem - die Liebe."

(Aus: Konstanzer Kalender 2004, 9. Juni)

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