Ist die Bibel richtig übersetzt?
Anmerkungen zum gleichnamigen Buch von Pinchas Lapide, inbesondere zu den Seiten 96 ff

Hiernach ist die hebräische Sprache vielfach nicht eindeutig. Daraus ergeben sich Unklarheiten, die bis zum Gegenteil des an sich Gemeinten reichen und dadurch bei der Übersetzung der Bibel in andere Sprachen zu schweren Missverständnissen und Paradoxien führen können.

Zum Beispiel kann das Wort ''barech'' sowohl ''segnen'' wie auch ''verwünschen, verfluchen'' bedeuten. Wird die erste Möglichkeit verwendet - und das scheint bis heute fast ausschließlich der Fall gewesen zu sein - , erhält das Gleichnis vom ungetreuen Verwalter (Lk 16,1-9), in dem dieser von Jesus angeblich gelobt wird, eine unakzeptable, verwirrende Konsequenz, mit der ich mich vor dieser Erklärung nicht abfinden konnte. Mit der zweiten Übersetzungsmöglichkeit gelingt das schon eher. (Vollständig ist das nicht der Fall, was wiederum an unterschiedlichen Übersetzungen dieser Stelle im NT liegt. Luther übersetzt: ''Und der Herr lobte den ungerechten Haushalter...'', wobei man bei ''Herr'' in dem Zusammenhang, wie an den meisten Stellen der Bibel, eigentlich nur an Jesus denken kann. Jörg Zink dagegen schreibt: ''Als der Besitzer davon erfuhr'' - von den Betrügereien; kursive Hervorhebung von mir - , ''lobte er den Verwalter...'', und das ergibt einen anderen Sinn als bei Luther!)

Ein anderes, von Pinchas Lapide angeführtes Beispiel ist das, bei dem Jesus einen ''bösen'' Knecht (Mt 24,51) ''entzweihauen'' lässt (Luther, Zink: ''in Stücke hauen''), was bei der humanen Einstellung Jesu absolut unglaubwürdig wirkt. Pinchas Lapide weist hier darauf hin, dass das entsprechende hebräische Wort auch die Möglichkeit zulässt, dass der Herr sich von dem tadelnswerten Knecht lediglich trennt und ihn nicht gleich umbringt! Hiervon macht die Bibelausgabe ''Hoffnung für alle'' Gebrauch. Sie schreibt (ich zitiere, um den Gesamtsinn wiederzugeben, sehr ausführlich): ''Wenn aber ein Verwalter unzuverlässig ist und im stillen denkt: 'Ach was, es dauert bestimmt noch lange, bis mein Herr kommt', und er fängt an, seine Mitarbeiter zu schlagen und Trinkgelage zu veranstalten, dann wird die Rückkehr seines Herrn ihn völlig überraschen. Der wird ihn hart bestrafen, als Heuchler verurteilen und hinausstoßen...''

Die Unsicherheit mancher Wörter und Redewendungen, die zu Mißverständnissen und Sinnentstellungen führen kann, ist nicht auf das Hebräische beschränkt. Es gibt sie auch im Deutschen. Wenn z. B. gesagt wird, jemand habe eine Sache ''verflucht gut hingekriegt'', so ist das nicht abwertend, sondern anerkennend gemeint. Oder nehmen wir das Wort "schön": wenn wir manches täten oder unterließen, wären wir "schön dumm", und ein Urlaub unter widrigen Umständen kann "ganz schön anstrengend" gewesen sein. Was hat beides mit Schönheit zu tun? Und "auf den Arm nehmen" ist bei Erwachsenen nicht liebevoll gemeint. Unverständlich bleibt die Redewendung: "auf den Hund kommen", nimmt man sie wörtlich. Und noch etwas: wenn einer mit einem anderen ''ein Hühnchen zu rupfen'' hat, so haben die beiden nicht einträchtig etwas Gemeinsames vor, sondern es wird Streit zwischen ihnen geben.

Wer solche Feinheiten des Deutschen nicht kennt, wird bei der Übersetzung deutscher Texte in andere Sprachen ebenso den Sinn verfälschende Fehler machen, wie sie bei der Übersetzung der Bibel aus dem Hebräischen ins Griechische (und später in das Lateinische) offenbar in größerer Anzahl auftraten, was den Anlass für das vorliegende Buch von Pinchas Lapide bildete.

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Katholisches Sonntagsblatt: "Die biblischen Frauen Junia und Phoebe ...". Gab es weibliche Diakone und Apostel in der Urkirche? - Sehr viel ausführlicher dazu, jedoch ohne klares Ergebnis: http://www.mneuhold.at/biblica/junia.html

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