Über die "symbolische" Bedeutung des Abendmahls

Ein Glaubensbruder, der nach einem schweren Unfall statt bei Ärzten bei einem katholischen Eremiten Heilung fand und zum Katholizismus konvertierte, schrieb mir etwas über das Abendmahl. Eindringlich versuchte er, mich davon zu überzeugen, dass die von Jesus überlieferten Worte: "Das ist mein Fleisch…" (Hervorhebung von mir) wörtlich zu nehmen sind. Dabei verwies er auf die folgenden Stellen in der Heiligen Schrift: Mt 26,26-28; Mk 14,22-24; Lk 22,19f; Joh 6,52-68 und 1 Kor 11,23-25, die das zum Inhalt haben.

Trotz dieser erdrückenden, biblischen "Beweislage" kann ich mich nicht entschließen, daran zu glauben, dass wir beim Empfang des Abendmahls Christi Leib und Blut wirklich essen und trinken, wie es die Katholische Kirche lehrt.

Die Bibel verwendet an vielen Stellen eine offenbar nur in übertragenem Sinne zu verstehende Bildersprache. Wenn Jesus zum Beispiel sagt: "Ich bin die Tür …" oder "Ich bin der Weinstock …", wird wohl niemand ernsthaft annehmen, dass er beides tatsächlich ist. Wir wissen, was Er mit diesen Vergleichen zum Ausdruck bringen möchte, und verstehen Ihn ehrfurchtsvoll. Gott wird in der Bibel mit einem Löwen, einem Felsen, einem Hirten und Bogenschützen (Klagelieder2,4) verglichen sowie außerhalb von ihr in Luthers Reformationslied mit einer Burg, obwohl Er dies alles, wörtlich genommen, sicherlich nicht ist. Bildhaft ist auch der Vergleich von Gottes Reich mit dem Sauerteig beim Brotbacken und mit einem stattlichen Baum, der aus einem winzigen Senfkorn emporwächst.

Auch das, was Jesus beim letzten Abendmahl zu Seinen Jüngern sagte und in unseren Gottesdiensten als "Einsetzungsworte" wiederholt wird, kann meines Erachtens nur symbolisch gemeint sein.1 Bei der feierlichen, heiligen Handlung gibt es – nach evangelischem Verständnis – nichts Mystisches, Unnatürlich-Geheimnisvolles: Brot bleibt Brot, und Wein bleibt Wein.2

Auf dieser katholischen Internetseite*) wird in großer Strenge am Gegenteil festgehalten. Naheliegende Einwände gegen ihren starren Dogmatismus, wie ich sie auf der Vorseite äußerte, und die auch andere gläubige Christen im Laufe der Kirchengeschichte hatten, werden dabei gar nicht erst in Betracht gezogen. Dabei sind sie weder unverständlich noch unsinnig. Es geht dem Verfasser der Seite und denjenigen, die hinter ihm stehen, offenbar allein um den Wunsch, recht zu haben, und um das Prinzip, keine abweichende Meinung zu dulden. Diese unnachgiebige Haltung, die sich auch bei anderen Gelegenheiten zeigt, führte dazu, dass die Katholische Kirche ungezählte Menschen als "Ketzer" verbrannte, die nicht exakt so glaubten wie sie. In dem Artikel werden hierbei unter anderem die Waldenser erwähnt; sie wurden durch die Inquisition "beinahe vollständig" ausgerottet [1]. Kein Wort des Mitleids mit den Ermordeten, des Bedauerns über den schweren Verstoß gegen das Fünfte Gebot und das christliche Liebesgebot.    *)Kopie aus dem Web-Archiv "Wayback Machine", ursprünglich mit Bildern
Den Artikel empfinde ich als einseitig, überheblich und oberflächlich. So wird in ihm zum Beispiel das mosaische Verbot, Blut zu trinken, nicht erwähnt, obwohl es thematisch dazu gehört.3
Dies geschieht auf der Internetseite Das missverstandene "Abendmahl" einer Gruppe, die sich "Messianische Stimme des Hauses Israel" nennt und nicht mit den messianischen Juden verwechselt werden darf.

[1] http://www.waldenser.de/, Teil "Geschichte & Gegenwart" mit "weiter", dann Abschnitt B
1 Kürzlich erfuhr ich, dass es im Aramäischen, der Sprache Jesu, nicht das Wort "ist" geben soll. Demnach könnte man die Worte "dies ist" auch als "dies bedeutet" auffassen. Und bei Wikipedia steht (im Abschnitt "Abendmahl in den reformierten Kirchen"): "Kirchen, die der Lehre von Huldrych Zwingli und Johannes Calvin folgen, vertreten die Auffassung, Brot und Wein seien Zeichen für Christi Leib und Blut. Wenn Jesus sagt: 'Das ist mein Leib', dann sei dieses ist als bedeutet zu verstehen, so Zwingli (1484–1531). Das Abendmahl gilt als reines Gedächtnismahl zum Gedenken an den Opfertod Christi."
2 Über bildhaftes, symbolisches Sprechen und Schreiben s. etwas hier.
3 Auf der genannten Seite werden die Einsetzungsworte beim Abendmahl, deren zweiter Teil vollständig lautet: "Nehmet hin und trinket alle daraus; dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Solches tut, so oft ihr's trinket, zu meinem Gedächtnis.", unvollständig wie folgt wiedergegeben: "Ebenso nahm Er nach dem Essen den Kelch mit den Worten: Dieser Kelch ist der Neue Bund in Meinem Blute, das für euch vergossen wird!'" Es fehlen die Aufforderung: "Trinket alle daraus" und der Teil "zur Vergebung der Sünden. Solches tut, so oft ihr's trinket, zu meinem Gedächtnis." Das ist kein Zufall, denn in der katholischen Kirche durfte über 500 Jahre lang (und bibelwidrig) nur der Priester von dem Messwein trinken; die Gemeinde war davon ausgeschlossen. Stichworte: Kelchkommunion, Kelchverbot, Jan Hus mit "Laienkelch".

"Christi reale Präsenz in Brot und Wein" aus evangelischer Sicht – lehrreich!

Über die geschichtliche Entwicklung des Abendmahls (von der man sonst wenig hört und liest): www.sonntagsblatt.de/~der-lange-streit-ums-abendmahl~   (Sonntagsblatt, evangelisch: https://www.sonntagsblatt.de/ueber-uns)

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