Ist die Zeit gequantelt?

Im Internet wird viel darüber geschrieben, und die Frage wird oftmals mit Ja beantwortet. Zur Begründung dient, dass die Energie diese Eigenschaft besitzt. Dass wir die behauptete Quantisierung der Zeit nicht bemerken, liegt daran, dass die angenommenen "Zeitquanten" sehr klein sein sollen, von der Größenordnung 10-43 Sekunden. So erscheint uns die "(ver)fließende" Zeit als ein Kontinuum.

Dabei ist die Zeitquantelung an sich gar nicht so ungewöhnlich: jeder quarzgesteuerte Wecker mit Zeigern "zerhackt" die Zeit in Sekundenintervalle,

(aus [1])

während die Bahnhofsuhr[2] dasselbe im Minutentakt tut. (So kann man es vielleicht sagen, wenn "Zeit" das ist, was die Uhr anzeigt, vgl. [3].)

Bei einer Sonnenuhr ist nichts von einem sprunghaften Voranschreiten der Zeit zu bemerken, ebenso bei einer Wasseruhr, aus der das Wasser glatt herausläuft und nicht tropft. Dagegen wären es bei einer genügend fein gearbeiteten Sanduhr (die es nicht gibt) die einzelnen Sandkörner, die das "Zeitquant" bildeten.

Wie aber kommt es nun zu dem außerordentlich kleinen, nicht mehr messbaren Zeitquant der theoretischen Physiker? Hierzu ist es hilfreich, auf eine diesbezügliche Originalarbeit von Max Planck aus dem Jahre 1899 zurückzugreifen, die hier im Internet wiedergegeben wird.[4]

Aus ihr geht hervor, dass Planck etwas anderes im Auge hatte als die Quantelung der Zeit. Nichts davon steht in der Arbeit, auch nicht, dass die von ihm so genannte "natürliche" Zeiteinheit 1,38·10-43 Sekunden[5] die kleinstmögliche sei. Für Planck und seine damaligen Fachkollegen lief die Zeit gleichmäßig, kontinuierlich und nicht sprunghaft ab. Dass man die obige, später nach ihm als "Planck-Zeit" bezeichnete Zeitspanne für nicht unterschreitbar hält, ist reine Willkür. Ebenso gut könnte, falls es das überhaupt gibt, das "Zeitquant" größer oder noch kleiner als sie sein.[6]

Vor wenigen Jahren zum Nachweis der Zeitquantelung durchgeführte Experimente brachten kein positives Ergebnis.[7]

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[1] https://www.w3schools.com/graphics/tryit.asp?filename=trycanvas_clock_start)
[2] http://3quarks.com/de/Bahnhofsuhr/ (mit Erläuterungen)
[3] https://www.uni-muenster.de/Physik.TP/~munsteg/10Zeit.pdf Abschnitt "Zeit in der Physik". Dort steht ohne Beleg, dass Einstein das gesagt habe. Nach meinen Recherchen im Internet wird es ihm nur zugeschrieben. Mehr dazu und nur ähnlich: https://de.wikibooks.org/wiki/A._Einstein:_Kommentare_und_Erl%C3%A4uterungen:~Kinematischer_Teil
[4] http://bibliothek.bbaw.de/bibliothek-digital/digitalequellen/schriften/anzeige/index~1899-1&seite:int=493. (Weiterlesen mit +1)
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Planck-Zeit hier 5,93116·10-44s, als "Empfehlung", s. "2. (CODATA ...)"
[6] Erwähnt sei noch, dass es zu Plancks Zeiten und danach eine Reihe anderer Autoren mit eigenen "natürlichen" Maßeinheitssystemen gab. Über sie wird hier berichtet: Physikalisches Wörterbuch, hrsg. von Wilhelm H. Westphal, Springer Verlag Berlin-Göttingen-Heidelberg 1952, Zweiter Teil S. 17 ff.
[7] https://www.spektrum.de/alias/astrophysik/die-gestueckelte-raumzeit/1129845. – Carlo Rovelli, italienischer Physiker und vielschreibender Buchautor, hält an der "Körnigkeit" der Zeit fest, vgl. hier, und zwar, wie ich finde, sehr oberflächlich, ohne Begründung und ohne den wissenschaftshistorisch interessanten Hintergrund bei Planck in [4]
zu erwähnen.

Nachtrag: Hier wird bei Wikipedia aufgezählt, welche physikalischen Größen gequantelt sind. Die Zeit ist nicht dabei.

Unklar ist, ob die hypothetischen Zeitquanten voneinander getrennt sind: , ähnlich wie bei der Bahnhofsuhr, wo die Zeit jeweils nach einer knappen Minute für einen kurzen Moment stehen zu bleiben scheint ("Zeit" immer noch im Sinne von "was die Uhr anzeigt"), oder ob sie lückenlos zusammenhängen: Im ersten Fall hätten wir zwischen ihnen rätselhafte, zeitlose Intervalle, über die in den Diskussionen anscheinend nicht geredet wird, und im zweiten ein Kontinuum.

Dialog: "Zeit ist, was die Uhr anzeigt." - "Und was ist eine Uhr?" - "Etwas, das die Zeit anzeigt."