Sechs besondere Punkte auf den Seiten eines Dreiecks

Unter dieser Überschrift veröffentlichte ich auf dem "Matheplaneten" einen kleinen Artikel. Das Folgende enthält Ausschnitte davon und Weiterführendes, das dort nicht erwähnt wird.

Altbekannt ist und unzählige Male wiederholt wurde, daß sich die Seitenhalbierenden eines Dreiecks in dessen Schwerpunkt schneiden. Was aber passiert, so fragte ich mich, wenn man die Seitenhälften nochmals halbiert? Welche Bedeutung haben die dabei entstehenden zusätzlichen Teilungspunkte der Dreiecksseiten?

Dieses Bild

zeigt: Werden die Seiten eines beliebig schiefwinkligen Dreiecks halbiert, so liegen die Mittelpunkte der entstehenden Seitenhälften auf einer ellipsenähnlichen Kurve.

Die Kurve wurde annähernd von Hand skizziert; die sechs Punkte, durch die sie geht, sind:
P(15;0), Q(21;4), R(23,12), S(18;12), T(6;4) und U(5;0).

Mit Hilfe der Gleichung Ax²+By²+Cxy+Dx+Ey+F=0, die einen Kegelschnitt in beliebiger Lage beschreibt, wollte ich prüfen, ob es sich bei der skizzierten Kurve wirklich um eine Ellipse handelt.

Dazu setzte ich die allgemeine Kegelschnittsgleichung für jeden der Punkte P bis U einmal an und erhielt so ein lineares Gleichungssystem aus sechs Gleichungen. Die Anwendung des Gaußschen Algorithmus zur Lösung eines solchen Systems ergab in diesem Fall für alle Koeffizienten A bis F den Wert 0. Eine Ellipsengleichung läßt sich damit nicht aufstellen.

Bei erneutem Nachdenken über meinen rechnerischen Ansatz, der mit den Gleichungen
225A+ 0B+ 0C+15D+0E+F=0
441A+16B+84C+21D+4E+F=0
begann (ihnen folgten vier weitere), sagte ich mir folgendes: Das Gleichungssystem ist homogen;
d. h. rechts von den Gleichheitsszeichen stehen nur Nullen. Ein solches System hat auf jeden Fall eine Lösung, die sogenannte "triviale", bei der alle Koeffizienten A bis F gleich Null sind. Das ist die oben erwähnte, von mir erhaltene; nur nützt sie einem nichts.

Gesucht wird eine Lösung, bei der wenigstens einige der Koeffizienten ungleich Null sind. Mindestens einer der ersten drei muß dabei sein; sonst ergibt sich kein Kegelschnitt. Setzt man A ungleich Null voraus, dann läßt sich jede Gleichung beiderseits durch A dividieren, und es entsteht mit den Bezeichnungen B'=B/A, C'=C/A usw. ein neues Gleichungssystem, das vollständig so aussieht:
  0B'+  0C'+15D'+ 0E'+F'=-225
 16B'+ 84C'+21D'+ 4E'+F'=-441
144B'+276C'+23D'+12E'+F'=-529
144B'+216C'+18D'+12E'+F'=-324
 16B'+ 24C'+ 6D'+ 4E'+F'=-36.

Es besteht nur noch aus fünf statt vorher sechs Gleichungen, da auch nur die fünf Koeffizienten B' bis F' zu bestimmen sind.

Dieses System hat eine eindeutige Lösung, und das bedeutet: durch die Punkte P,Q,R,... geht tatsächlich eine Ellipse, wie anfangs vermutet.

Da die Lösung des Gleichungsssystems lautet: B'=31/16, C'=-7/4, D'=-20, E'=5, F'=75, erhält man durch Einsetzen in die veränderte Kegelschnittgleichung x²+B'y²+C'xy+D'x+E'y+F'=0 und anschließende beiderseitige Multiplikation mit dem Hauptnenner 16 auch die Gleichung der Ellipse:
16x²+31y²-28xy-320x+80y+1200=0.

Danach berechnet und genau gezeichnet (d. h. nicht nur von Hand skizziert), sieht sie so aus:

Nach Hauptachsentransformation, durch die der Mittelpunkt der Ellipse in den Koordinatenursprung gerückt und ihre Hauptachsen parallel zu den Koordinatenachsen ausgerichtet werden,

ist zu erkennen, was sich in dem Bild darüber bereits andeutet: der Mittelpunkt der Ellipse stimmt mit dem Schnittpunkt der Seitenhalbierenden des Dreiecks überein. Da dieser, wie bereits anfangs erwähnt, auch der Schwerpunkt ist, wird der folgende Satz nahegelegt:
Werden die Seiten eines beliebig schiefwinkligen Dreiecks halbiert,
so liegen die Mittelpunkte der entstehenden Seitenhälften auf einer
Ellipse, deren Mittelpunkt mit dem Schwerpunkt des Dreiecks übereinstimmt.
Aus der nächsten Figur

ergibt sich ein weiterer Satz:
Sei A'B'C' das Seitenmittendreieck eines Dreiecks ABC und
A"B"C" ein Dreieck, dessen Seiten zu denen von A'B'C' parallel
sind, und hat A"B"C" denselben Schwerpunkt wie die beiden anderen
Dreiecke, dann liegen die sechs Schnittpunkte von ABC mit A"B"C"
auf einer Ellipse.
Auch er beruht nur auf einem Beispiel, doch läßt er sich anschaulich-geometrisch (d. h. nicht rein algebraisch durch Aufstellung und Lösen eines Gleichungssystems) anhand der beiden folgenden Abbildungen allgemein begründen:

Die erste zeigt ein gleichseitiges Dreieck, sein Seitenmittendreieck und ein weiteres Dreieck nicht näher festgelegter Größe mit zu diesem parallelen Seiten und dem gleichen Schwerpunkt. Die sich hierbei ergebenden sechs Schnittpunkte des letztgenannten Dreiecks mit dem ursprünglichen liegen auf einem Kreis.

Ordnet man jedem Punkt (x,y) der Figur einen neuen Punkt (x',y') zu, der wie folgt berechnet wird:
x'=k1x+k2y, y'=k3x+k4y
mit vier frei wählbaren Konstanten k1 bis k4, dann werden durch diese Drehstreckung die gleichseitigen Dreiecke verformt, wobei zueinander parallele Strecken parallel und vorhandene Schnittpunkte erhalten bleiben, und der Kreis wird zur Ellipse:


Fortsetzung

Ich wiederhole eine der vorstehenden Figuren ohne das Achsenkreuz:

Symmetrisch zum Schwerpunkt kommen zu den bereits vorhandenen sechs Punkten (braun) noch sechs weitere hinzu (rot), so daß man, von der einfachen Viertelung der Dreiecksseiten ausgehend, nunmehr zwölf Ellipsenpunkte hat:



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