Die Zeit ist undefiniert

Zwar heißt es bei Wikipedia (und nicht nur dort), dass die Zeit eine physikalische Größe ist, d. h. man kann sie messen; aber was man da misst, bleibt in seinem Wesen unbekannt. (Anm.: genau genommen, misst man nicht die Zeit an sich, sondern immer nur Teilabschnitte von ihr, Zeitintervalle.)

Das fehlende Verständnis dessen, was "Zeit" bedeutet, reicht weit zurück. Der "Kirchenvater" Augustinus (354 bis 430) schrieb: "Was also ist Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es jemandem erklären, weiß ich es nicht."

In unserer Zeit gibt es hier einen langen Artikel eines renommierten Physikers über die Unsicherheit und Unbestimmtheit des Zeitbegriffs.

Umgangssprachlich sagen wir, dass die Zeit "vergeht" oder "verfließt". Die Römer, auf deren Sprache und Kultur ein Teil der unsrigen beruht, sagten, dass die Zeit "flieht" (tempus fugit), und Lateinschüler und -schülerinnen lernen den eigentümlich-hexametrisch betonten Satz "Témpora mútantúr, et nós mutámur in íllis.": die Zeiten (Plural!) ändern sich und wir uns in ihnen.

Manchmal, so scheint es uns, "fließt" die Zeit träge dahin, und es gibt schwere wie leichtere Zeiten. Damit hat die Zeit, so gesehen, die gleichen Eigenschaften wie die Materie/Masse: Trägheit und Schwere. (Humorvoll wird das hier abgehandelt.)

Eine andere Idee als die landläufigen hatte der Schweizer Dichter Gottfried Keller (1819–1890) mit diesen Versen1):
»Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist ein Karavanserai,
Wir sind die Pilger drin.«

Hiernach bewegt sich die Zeit nicht, sie (ver)fließt und flieht nicht. Sie gleicht einem feststehenden, langgestreckten Gebäude, das der Mensch durchwandert. (Karavanserai: Herberge an einer Karawanenstraße).

Von Erich Kästner (1899 bis 1974) stammt:2)
»Die Zeit vergeht. – Sie weiß es nicht besser.«

Ein mit mir befreundeter Pastor meinte einmal, dass die Zeit eine Art menschliche Erfindung ist, die es für Gott nicht gibt bzw. für Ihn unwesentlich ist.

Im Zeitmuseum

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1)2) zitiert von Peter Möller in seinem Philosophie-Lexikon philolex, Abschnitt Zitate zur Zeit

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