Gedanken zum Thema "Das Paradies und der Urknall"

Man kann es so ausdrücken: Adam und Eva strebten nach Erkenntnis, die ihnen nicht zustand, und wurden dadurch unglücklich. Die überlieferte Paradiesgeschichte ist ein gedankliches Bild, eine Allegorie, die sich in der Neuzeit wenigstens dreimal mit führenden Mathematikern in Verbindung bringen ließ:

Ferenc Bólyay bemühte sich jahrzehntelang vergeblich um das Parallelenaxiom von Euklid und schrieb dazu einen bewegenden Brief an seinen Sohn Janos, in dem er ihn beschwor, sich nicht weiter damit zu beschäftigen.  Zwei Brüder aus der Mathematikerfamilie Bernoulli lagen miteinander in einem langandauernden, erbittert geführten Prioritätsstreit. Georg Cantor, der Schöpfer der Mengenlehre, wurde bei seinen Forschungen über das Unendliche depressiv und mußte mehrmals in stationäre psychische Behandlung; am Ende litt er unter regelrechten Wahnvorstellungen.

Übertriebenes Streben nach Erkenntnis nahm  den daran Beteiligten den inneren Frieden, das harmonische Verhältnis zu ihrer Umgebung, den Mitmenschen und zu Gott. Es schmerzte sie und ruinierte Teile ihres Lebens.

In der Physik finden wir heutzutage Ähnliches: in meinen Augen unsinnige Anstrengungen zur Beantwortung der beiden Fragen nach dem Anfang und Ende der Welt. Der hypothetische "Urknall" liegt zu weit weg in der Vergangenheit (wobei betont wird, daß bei ihm die physikalischen Gesetze keine Gültigkeit mehr haben!); und wie sich die Welt bis in die fernsten Fernen weiter entwickeln wird, gehört ins Reich der Spekulation und Phantasie. Bei all' diesen Bemühungen spielt persönlicher Ehrgeiz wie bei den drei oben Genannten eine nicht unbeträchtliche Rolle. Wie viele Forscher auf diesem Gebiet mag es wohl geben, die an einen von ihnen erzielten, entscheidenden Durchbruch glaubten, der dann durch andere aufgehoben, zerstört wurde und sie selber in tiefe Verzweiflung stürzte.

Dem "Baum der Erkenntnis" sich aus Neugier und mangelndem Respekt vor dem Geheimnisvollen zu sehr zu nähern, ist nicht ungefährlich. Auch wir selbst erleben manchmal, daß es nicht gut ist, alles zu wissen bzw. wissen zu wollen, und es wäre uns im Nachhinein lieber, wir hätten bestimmte Details nicht erfahren.1) Berücksichtigt man dies, dann erfüllt Gottes Verbot für uns eine Art geistiger Schutzfunktion.

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In der Bibel geht es übrigens nicht um wissenschaftliche Fragestellungen, die die Juden, anders als einige ihrer Nachbarvölker, nicht interessierten. Was sie bewegte, war das von Gott außer den Naturgesetzen geschaffene Moralgesetz, das in unserer Zeit zu wenig Beachtung findet.

So wird der Adam und Eva verbotene Baum  häufig verkürzt nur "Baum der Erkenntnis" genannt. Nimmt man hinzu, daß sein Name vollständig "… von Gut und Böse" lautet, kann es sein, daß damit zum Ausdruck gebracht werden soll: Gott will allein festlegen, was gut und böse ist (kanonisiert durch seine später erlassenen Zehn Gebote), und Er will nicht, daß der Mensch darüber bestimmt. Die Geschichte lehrt: Wenn das versucht wurde, resultierte daraus vielfach großes Leid für einzelne Gruppen wie für ganze Völker.

1) Gerade bei Mathematikern ist das öfter der Fall. Jemand hat eine reizvolle, nicht triviale Aufgabe gestellt. Ein anderer quält sich eine Weile erfolglos damit herum und bittet schließlich den Aufgabensteller um einen kleinen Lösungshinweis. Diesen erhält er und stellt dabei fest, daß die Aufgabe im Grunde genommen nicht schwer ist. Mit mehr Zeit und Geduld wäre er vermutlich selber auch darauf gekommen und ärgert sich nun über die unnötig erbetene Hilfe.

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