Vier "Soli"

Besonders im Lutherjahr 2017, in dem an die fünfhundertste Wiederkehr des Reformationsbeginns in Deutschland erinnert wird, gibt es in den evangelischen Gottesdiensten vielfach Predigtreihen, die den Glaubensgrundsätzen "Sola fide, sola gratia, sola scriptura und solus Christus" gewidmet sind. Auf deutsch bedeuten sie: "Allein durch den Glauben, allein durch Gnade, allein (durch) die Schrift und allein Christus".

So war es auch in der Kirche meiner Gemeinde an vier Sonntagen im Oktober.

Dabei und hinterher durch weitere Lektüre lernte ich:
Sola fide. Luther meinte, dass allein der Glaube an Gott bewirkt, dass wir vor Ihm "gerecht" sind. Nicht auf (fromme) "Werke" kommt es an. Dies steht in einem gewissen Gegensatz zum Jakobusbrief, den Luther eine "stroherne Epistel" nannte. Was dahinter steckt, findet man im Internet vielfältig, wenn man diese abwertende Bezeichnung als Suchwort eingibt.
Sola gratia. Alle Menschen sind Sünder, indem sie sich nicht lückenlos so verhalten, wie Gott es ihnen durch Seine Gebote vorschreibt. Gnade ist unverdienter Straferlass ("Gnade vor Recht"). Auf sie dürfen wir, laut Luther, hoffen, wenn wir an Gott und Jesus glauben.
Sola scriptura. Maßgebend für alles, was zum christlichen Glauben gehört, und nach dem wir uns im Leben richten sollen, steht in der Bibel. Hier wandte sich Luther gegen die Katholische Kirche, die auch die eigene Tradition als Quelle geistlicher Inspiration betrachtet.
Solus Christus. Nach lutherischer Lehre ist Jesus der einzige Mittler zwischen Gott und dem Menschen, nicht seine Mutter, die Jungfrau Maria; auch die Heiligen sind es nicht. –

Martin Luther hielt sich nicht an die Gebote der Nächsten- und Feindesliebe. Er war ein Judenhasser1 und ließ die Aufständischen im Bauernkrieg im Stich, die auf ihn vertraut hatten und sich auf die Bibel beriefen.2

Durch das Eingreifen seines fürstlichen Landesherrn entkam er wahrscheinlich dem Feuertod, den andere, am Reformationsgeschehen Beteiligte wie Jan Hus und Hieronymus von Prag erleiden mussten. Unerkannt und unter dem Pseudonym "Junker Jörg" übersetzte Luther auf der Wartburg das Neue Testament und den Anfang des Alten ins Deutsche. Er prägte viele neue Wörter und Redensarten und trug mit zur Verbreitung einer einheitlichen Sprache bei, die überall verstanden wurde.

Die katholische Internetseite: "Martin Luther - ein Reformator?" beschreibt unter anderem, wie Luther selbst bestimmte Folgen seiner Reformationsbemühungen einschätzte und unter ihnen litt.

*

Sprachlich verwandt: Soli Deo Gloria
Diese lateinische Aufforderung, welche große Komponisten wie Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel ihren Werken voranstellten oder anhängten,

  (Wikipedia, letzter Absatz)

wird meist so in Deutsche übersetzt: "Allein Gott die Ehre", so z. B. in dem Lied "Allein Gott in der Höh' sei Ehr'" (Ev. Gesangbuch, Nordelbische Kirche, Nr. 179). Das bedeutet: wir sollen uns nicht selbst ehren oder ehren lassen, auch keine anderen Menschen, aus welchem Anlass auch immer. Nur Gott sollen wir ehren.

Dem Kenner des Lateinischen zeigt sich indessen, dass "Soli Deo Gloria" in Wirklichkeit eine etwas andere Bedeutung hat: soli ist der Dativ von solus = alleinig, einzig.3 Somit heißt die lateinische Wendung, genau übersetzt: dem alleinigen Gott die Ehre, d. h., es gibt außer Ihm keinen anderen Gott, und nur diesen sollen wir ehren. Das ist nicht derselbe Sinn wie im Vorstehenden. Die grammatisch richtige Übersetzung geht auf den Anfang der Bibel zurück (2.Mose20,3). Die alten Israeliten sahen sich im Gegensatz zum polytheistischen Glauben ihrer Nachbarvölker und hielten JHWH für den einzigen Gott.

Die von mir hier angegebene Übersetzung ist selten. Man findet sie an einem Kirchenportal und einem alten Wappenstein.

Nachtrag: Ein Reformator, ca. 100 Jahre vor Luther: Jan Hus. Er wurde lebendig verbrannt, ein Schicksal, dem Luther knapp entging.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------

1 Er schrieb: "Von den Juden und ihren Lügen": "Juden sind Brunnenvergifter, rituelle Mörder, Wucherer, Parasiten der christlichen Gesellschaft. Sie sind schlimmer als Teufel, es ist schwerer sie zu bekehren, als Satan selbst. Sie sind zur Hölle verdammt. Sie sind, in Wahrheit, der Antichristus. Ihre Synagogen sollen zerstört und ihre Bücher verboten werden. Sie sollen gezwungen werden, mit ihren Händen zu arbeiten oder besser noch - sie sollen von den Fürsten aus deren Gebieten verjagt werden."
2 "Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern": "… man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss." Mehr dazu hier.
3 Vgl. den Lernvers "unus, solus, totus, ..." im Diskussionsteil der Wikipediaseite zu "Soli Deo Gloria". Deutsche kirchliche und kirchenmusikalische Internetseiten verwenden, so weit ich sehe, nur die falsche Übersetzung; die richtige steht am Anfang dieser nicht-kirchlichen Seite.

Zurück zur Themenübersicht, Teil 2