Über den Gebrauch des Wortes ''Papa'' und damit verwandter Wörter

Aus einem Anlass, über den weiter unten noch zu sprechen sein wird, beschäftigte ich mich mit der Herkunft und Verwendung des Wortes ''Papa'' mit seinen Ableitungen im Alltag und in religiösen Zusammenhang.

Im Buch von Mackensen: ''Ursprung der Wörter'', einem etymologischen Standardwerk, heißt es dazu: ''Papa m. 2. Hälfte 17. Jh. Aus frz. papa (verdoppelte Lallsilbe) zu lat. pater=Vater''. Das über hundert Jahre alte, bereits 1843 erschienene lateinische Lexikon von Georges, welches ich von meiner Tante geschenkt bekam, schreibt: ''papa,ae,m. 2) Vater; dah. ein ansehnlicher Kirchenlehrer, Tert.; dann der Papst''. Zum Kirchenlatein gehört der Satz ''Habemus papam'', wenn ein neues katholisches Oberhaupt gewählt wurde.

Im Deutschen begegnete ich dem Wort als Kind in der Aussprache ''Papá'', d. h. mit Betonung der zweiten Silbe. (Hier schlug wohl das Französische durch.) So sprachen meine Mutter und Tante, wenn sie ihren Vater erwähnten, der zu der Zeit schon verstorben war. ''Papá'' drückte vor allem Respekt aus und hatte für mich stets etwas Strenges, Distanziertes. Im Gegensatz dazu steht das gleichzeitig viel verwendete und bis heute sehr gebräuchliche, vertraulichere ''Papa'' mit Ton auf der ersten Silbe und kurz gesprochen wie mit Doppel-p. Von ihm gibt es die zärtlichere Abwandlung ''Papi'' und die früher, vor allem von jüngeren Töchtern benutzte, salopp klingende Form ''Paps''.

Den Anlass für diese Zusammenstellung bildete unser Pastor in einer seiner Predigten. In ihr behauptete er, das Wort ''Abba'', mit dem sich Jesus an seinen himmlischen Vater wandte, hätte den Sinn von ''Papi'' gehabt. Damit wollte er sagen, dass wir Gott nicht nur als unseren Vater ansehen sollen, sondern dass dies ebenso geschehen kann wie bei einem Kind, das mit seinen Vater in dieser liebevoll-zärtlichen Weise spricht.

Dieser ''Vermenschlichung'', um nicht zu sagen: Trivialisierung Gottes will ich mich nicht anschließen. Für mich ist GOTT in erster Linie der HERR, der, wie es in der Bibel heißt, Himmel und Erde geschaffen hat, der das gesamte Universum, von der größten Galaxie bis zum kleinsten Atom beherrscht und regiert, der uns Menschen genauestens kennt und durch seinen Heiligen Geist beeinflusst, führt und leitet.

Das sehr familiäre ''Papi'' in Bezug auf Gott widerspricht in meinen Augen auch Luther, der in seinem ''Kleinen Katechismus'' immer wieder aufs Neue schreibt, wir sollen Gott fürchten und lieben (''fürchten'' an erster Stelle!). Ein Kind, das seinen Vater fürchtet, wird ihn nur selten ''Papi'' nennen, selbst wenn es ihn, trotz aller Furcht, in tiefstem Innern liebt. ("Furcht" ist hier gemeint im Sinne von "Ehrfurcht". )

Unterstützung bei meiner Ansicht fand ich in einer Zeitungs-Rezension des nach und nach erscheinenden theologischen ''Handwörterbuches'' Religion in Geschichte und Gegenwart (Bände A-B und C-E, 926 S., kein Leichtgewicht also); in ihr hieß es: ''Der Kurzartikel 'Abba' räumt mit dem tausendfach in Predigten und Unterrichtsstunden verbreiteten Märchen auf, diese aramäische Gottesanrede Jesu entspreche dem Kinderwort 'Papa' und drücke die einzigartige Gottesbeziehung Jesu aus; es war ein normales Wort für 'Vater'''.

Und was sagt die Bibel zu diesem Thema? Im Neuen Testament kommt das Wort ''Abba'' an drei Stellen vor: bei Markus (Jesus in Gethsemane, Mark. 14,36), und in zwei Briefen des Paulus (Röm. 8,15; Gal. 4,6). Nirgends ist dabei von einer übermäßigen Vertraulichkeit gegenüber Gott die Rede, wie sie durch ''Papi'' zum Ausdruck kommt. Nach den Paulusbriefen, auch in modernen Übersetzungen, sollen wir zu Gott ''Vater'' oder ''Lieber Vater'' sagen. Das reicht aus, ist angemessen und entspricht christlicher Einstellung und Lehre vollauf. Wenn wir uns hiernach im Gottesdienst (beim Vaterunser) und in privaten Gebeten richten, fügen wir stets bzw. oft die Worte ''im Himmel'' hinzu, um Gott auch sprachlich von unserem irdischen Vater zu unterscheiden.

Ergänzung:
Vor wenigen Generationen, vielleicht fünf, d. h. vor ca. 150 Jahren, war es üblich und Kindern aufgetragen, "Herr Vater" und "Frau Mutter" zu sagen. (So z. B. in dem Lied "Herr Vater, Frau Mutter, dass Gott Euch behüt', ...") Das ließen sich die Kinder, vor allem, wenn sie älter und schließlich erwachsen/selbständig wurden, auf die Dauer nicht mehr gefallen, und das "Herr" bei Vater kam mehr und mehr außer Gebrauch. Es war ein Akt der Anpassung: der Vater stand nicht mehr als der in der Familie Allmächtige da, der als einziger das Sagen hatte, sondern wurde ein Stück kleiner. In der Folge wurde das kindliche "Pappa" zum Standard - eine weitere Demontage der ursprünglichen, unbeschränkten Autorität des Vaters. In manchen Familien wurde aus "Vater" "Vati", und heute, wenn ich darüber nachdenke, scheint es mir so, dass die Eltern diese kindliche Anrede selber sogar schätzten und schön fanden; "Vater" erschien ihnen zu streng. (Ich kenne aber auch Familien, da wird immer noch "Vater" gesagt: der Vater, vom Vater usw. wenn man in seiner Abwesenheit über ihn spricht.)
Und diese Verringerung der Distanz zwischen dem irdischen Vater und seinen Kindern wird nun von manchen, vielleicht unbewusst, auf Gott und uns Menschen übertragen, d. h., es wird versucht, Ihn in gewisser Weise kleiner, handlicher, kuscheliger zu machen. Dabei ist und bleibt er in Wirklichkeit, was übersehen wird, der All- und Übermächtige, im Grunde genommen auch Unnahbare, und Ihn dieser Eigenschaft entkleiden zu wollen, ist geradezu lächerlich. Es hängt mit menschlichem Egoismus zusammen und geringer werdender Achtung vor dem, der nicht nur Macht besitzt, sondern auch Verantwortung trägt, vielleicht auch mit fehlendem, respektvollen Bestreben, ihn aus Dankbarkeit, auch verbal, zu erhöhen.

Und schließlich würde wohl kaum jemand bei VaterUnser sagen: "Papa unser, der du bist im Himmel" oder vielleicht sogar "Papi ..." das wäre konsequent, würde sich aber "nicht gehören" (eine Ausdrucksweise, die fast ausgestorben scheint). Und das bedeutet im Umkehrschluss: wenn man es beim VaterUnser nicht sagt, dann auch nicht bei anderer Gelegenheit!

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