"Ohne Bosheit, voller Barmherzigkeit

Der vor 200 Jahren geborene US-Präsident Abraham Lincoln
rief mit starken Worten zur Einigkeit des Landes auf 1



Abraham Lincoln (1809-1865), der 16. Präsident der Vereinigten Staaten, stritt für Demokratie, Menschenrechte, Sklavenbefreiung und die Einheit des Landes.




Durch ein Pistolenattentat wurde Abraham Lincoln, Amerikas große Hoffnung, am 14. April 1865 während einer Theatervorstellung hinterrücks zu Fall gebracht. (Foto/Lithographie: wikipedia)


Bei der Übergabe der Regierungsgewalt in den USA von George W. Bush an Barack Obama am 20. Januar 2009 wurde mit treffenden Zitaten die Geschichte beschworen. Es überraschte nicht, dass sich der nunmehrige 44. US-Präsident, der erste Schwarze in dieser Position, in seiner mit großer Spannung erwarteten Antrittsrede auf seinen von ihm so verehrten Vorgänger Abraham Lincoln, den 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten, berief. Bei seinem Amtsantritt am 4. März 1861 hatte der vor 200 Jahren, am 12. Februar 1809 bei Hodgenville (Kentucky) geborene Lincoln angesichts gefährlicher Sezessionserscheinungen und tiefer Zerwürfnisse in der Sklavenfrage erklärt, in diesem Konflikt gehe es um mehr als um das Schicksal der USA. Für die ganze Menschheit stelle sich die Frage, ob eine verfassungsgemäße Republik ihre territoriale Integrität gegen ihre Feinde im eigenen Land behaupten könne oder nicht. Es stelle sich die Frage, ob „einzelne Unzufriedene“ das Recht haben, ihren Staat nach Belieben zu zerbrechen und damit praktisch der freien Regierung ein Ende zu bereiten, und ob es erlaubt sei, dass ein einzelner Staat nach Gutdünken aus der Union ausscheiden kann.

Verstoß gegen göttliches Gebot

Abraham Lincoln stammte aus einer armen Farmerfamilie in Kentucky. Der gläubige Christ brachte es mit Klugheit, Fleiß, diplomatischem Geschick, Redekunst und Herzenswärme zu einem geachteten Rechtsanwalt, Kongressabgeordneten und schließlich als Kandidat der Republikaner im Jahr 1861 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Aus eigener Anschauung wusste der Mann mit dem kantigen Gesicht und schwarzem Bart, was sich auf Sklavenmärkten zuträgt und wie Weiße mit ihren schwarzen Leibeigenen umspringen, was die Nachkommen jener aus Afrika verschleppten Menschen tagtäglich erdulden müssen und wie man ihnen einfachste Rechte bestreitet.

Für Lincoln war Sklaverei ein grundsätzliches Unrecht, das gegen göttliche Gebote verstößt. Bei seinem Amtsantritt als Präsident wies er 1861 mit Blick auf kommende Probleme im Zusammenhang mit der ungelösten Sklavenfrage seine „unzufriedenen Landsleute“ im Süden darauf hin, dass „die folgenschwere Entscheidung über den Bürgerkrieg“ in ihren Händen liegt und nicht in seinen. „Die Regierung wird Euch nicht angreifen. Ihr werdet keinen Konflikt haben, wenn Ihr nicht selbst Angreifer seid. Ihr habt dem Himmel nicht geschworen, den Staat zu zerstören, aber ich habe den feierlichsten Eid geleistet, ihn zu erhalten, zu beschützen und zu verteidigen”.

Lincolns Wahl zum Präsidenten waren für South Carolina und sechs weitere Südstaaten der Grund, um ihren Abfall von der Union zu verkünden. Lincoln konnte diese Sezession nicht verhindern, obwohl er in manchen Streitfragen zu Zugeständnissen bereit war, von der Aufhebung der Sklaverei und dem Prinzip der Unteilbarkeit der USA abgesehen. Alle seine Versuche, zu einer Verhandlungslösung zu gelangen, wurden von den „Konföderierten“ in den Wind geschlagen, und so war der Bürgerkrieg unausweichlich.

Zwar war der Zivilist Lincoln Oberbefehlshaber der Unionstruppen, doch es fehlte ihm an geeigneten Generälen, und so blieben Misserfolge und Niederlagen nicht aus. Erst als der Präsident 1864 mit Ulysses S. Grant einen fähigen Oberbefehlshaber berief, wendete sich das Blatt. Grant und seinen Soldaten gelangen bei Fort Danelson (Tennessee), Vicksburg (Mississippi) und Chattanooga (Tennessee) wichtige Siege, und so konnte der Krieg für die Nordstaaten entschieden werden.

Wichtiger Verfassungszusatz

Als der in Europa mit großer Anteilnahme beobachtete Bürgerkrieg noch tobte und sein Ausgang noch nicht feststand, verfügte Lincoln mit Rückendeckung durch den Kongress die schrittweise Emanzipierung der Sklaven zunächst für die Kriegszeit, um 1864 einen entscheidenden Schritt zu tun – das generelle Verbot der Sklaverei in den USA, das dann am 31. Januar 1865 als Verfassungszusatz vom Kongress verabschiedet wurde. Mitten im Krieg hielt Lincoln auf dem Schlachtfeld von Gettysburg am 19. November 1863 vor 150 000 Menschen eine Ansprache, die zu den berühmtesten Rede in der Geschichte der USA zählt: „Vor 87 Jahre gründeten unsere Väter einen neuen Staat, aus Freiheit geboren und dem Gedanken geweiht, dass alle Menschen gleich geschaffen sind. Nun sind wir in einen großen Bruderkrieg verstrickt, der erweisen wird, ob dieser Staat auf Dauer bestehen kann... Mögen wir von diesen ehrwürdigen Toten lernen, uns mit noch größerer Hingabe der Sache zu verschreiben, für die sie alles gegeben haben; mögen wir den hehren Vorsatz fassen, dass diese Toten nicht umsonst gestorben sein sollen; möge die Nation mit Gottes Hilfe eine Wiedergeburt der Freiheit erleben, auf dass die Herrschaft des Volkes durch das Volk und für das Volk nicht untergehe auf dieser Erde.“

Bei seiner zweiten Vereidigung als Präsident am 4. März 1865 rief der wiedergewählte Lincoln die Kriegsparteien zur Versöhnung, zur Einigkeit des Landes und zur Verteidigung der Menschenrechte mit den Worten auf: „Ohne Bosheit gegen irgend jemanden, voller Barmherzigkeit gegen alle, mit Entschlossenheit im Recht, sofern Gott uns gibt das Rechte zu sehen, lasst uns nach der Vollendung des Werkes streben, das wir begonnen haben: die Wunden der Völker heilen, uns um den zu kümmern, der die Schlacht trug, und um seine Witwe und sein verwaistes Kind – alles zu tun, was einem gerechten und dauernden Frieden untereinander und mit allen Nationen vollenden und erhalten kann“.

Abraham Lincoln war es nicht vergönnt, sein großes Werk des Wiederaufbaues der durch den Krieg schwer getroffenen Union, der Aussöhnung zwischen dem Norden und dem Süden, der Verwirklichung der Demokratie und der wirklichen Befreiung von drei Millionen schwarzen Landsleuten von den Fesseln der Sklaverei zu erleben. Als er wenige Wochen nach seiner zweiten Amtseinführung öffentlich ein begrenztes Wahlrecht für Schwarze in Louisiana befürwortete und abzusehen war, dass dieser Bevölkerungsgruppe weitere Rechte eingeräumt werden, griff John Wilkes Booth, ein bekannter Schauspieler und Gegner des Präsidenten, zur Waffe. Am 14. April 1865 schoss Booth im Ford’s Theatre in Washington D.C. auf Lincoln. Der Präsident wurde schwer verletzt und starb am folgenden Tag. Die Bluttat rief tiefes Entsetzen hervor, Lincoln wurde zur Legende und zum Symbol für die besten Traditionen der USA, für das Ringen um die Einheit der Nation, für die Menschenrechte und den Kampf gegen jede Form von Rassendiskriminierung.

Ich habe einen Traum

Obwohl zu Lincolns Zeiten in den USA die Sklaverei offiziell abgeschafft worden war, hat sich dort bis fast an die Gegenwart hinsichtlich der Gleichberechtigung von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe nicht viel getan. Mit der Wahl von John F. Kennedy zum 35. US-Präsidenten schien erstmals die Gelegenheit gekommen, diesen menschenunwürdigen Zustand endlich hinter sich zu lassen. Einer der Vorkämpfer dieser Bewegung war der schwarze Geistliche und Bürgerrechtler Martin Luther King. Sein Ruf während eines Protestmarschs durch Washington anlässlich der Hundertjahrfeier der Aufhebung der Sklaverei in den USA am 28. August 1963 „I have a dream – ich habe einen Traum, den Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden“, ging um die Welt und wurde zum geflügelten Wort.

Die Reaktion auf die Rede von Martin Luther King, dem ein Jahr später der Friedensnobelpreis verliehen wurde, hätte unterschiedlicher nicht ausfallen können. Sie half jenen Kräften, die wie King für gewaltlosen, aber unerschrockenen Widerstand plädierten; auf der anderen Seite bestärkte sie Rassisten, die sich noch enger zusammenschlossen, um das zu unterbinden, was Kings Traum war. Wie sehr sich die Verfechter der Rassentrennung getroffen und bedroht fühlten, zeigte das Attentat, dem der erst 41jährige Martin Luther King am 4. April 1968 in Memphis, Tennessee, zum Opfer fiel."

1 aus der Homepage von Helmut Caspar: Artikel von 2009, Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen.

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