Quelle: Berliner Morgenpost  06.11.2011

http://www.morgenpost.de/berlin/article1818322/87-Jaehrige-von-drei-Kindern-brutal-ueberfallen.html

 

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Diverse Knochenbrüche

87-Jährige von drei Kindern brutal überfallen

Sonntag, 6. November 2011 18:59 - Von Michael Behrendt, Peter Oldenburger und Steffen Pletl

 

Drei Kinder haben in Reinickendorf eine 87 Jahre alte Frau von hinten niedergestoßen und schwer verletzt,

um ihr die Handtasche zu rauben. Ein Augenzeuge stellte einen der Täter – der ist gerade einmal zwölf Jahre.

 

(Das hier wiedergegebene Bild habe ich entfernt.)

Foto: Steffen Pletl

Geschunden Der Angriff von drei Kindern hat bei Vera Ellen W. körperliche und seelische Wunden hinterlassen

Es ist ein Überfall, der für Entsetzen und Fassungslosigkeit sorgt. Drei Kinder haben am Sonnabend die 87-jährige Vera Ellen W. in Reinickendorf brutal angegriffen und zu Boden gestoßen, um ihr die Handtasche zu entreißen. Dabei wurde die Seniorin schwer verletzt. Ihre Nase ist gebrochen, ebenso zwei Finger an der linken Hand. Außerdem erlitt sie eine stark schmerzende Platzwunde am Knie.

Einer der Täter – ein erst zwölfjähriger Junge – konnte von einem Zeugen festgehalten und der Polizei übergeben werden. Nach Angaben der Polizei ist der Verdächtige bereits mehrfach wegen anderer Delikte aufgefallen. Wie die Berliner Morgenpost erfuhr, soll es sich bei dem Jungen um Leon Sch. handeln, dessen Vater wiederum als Mitglied der Rockergruppe MC Bandidos gilt. Leons Vater hatte seinen Sohn vom Polizeiabschnitt abgeholt.

Gegen 14.10 Uhr war die alte Dame vom Einkaufen in der Residenzstraße kommend unterwegs zu ihrer Wohnung an der Emmentaler Straße, als sie an der Stargardtstraße von den drei Kindern erschreckt wurde. „Sie sprangen plötzlich hinter einem Busch hervor und brüllten, bevor sie wegliefen“, berichtete das Opfer. „Mir schlug das Herz bis zum Halse, ich musste mich erst einmal beruhigen und konzentrierte mich auf den Heimweg.“ Vera Ellen W. konnte da noch nicht ahnen, dass ihr der eigentliche Angriff noch bevorstehen sollte.

Kurz vor einer Seniorenresidenz an der gleichen Straße spürte sie plötzlich einen heftigen Stoß in den Rücken und fiel daraufhin zu Boden. „Ich sah noch einen Betonpoller auf mich zurasen und hoffte in diesen Bruchteilen von Sekunden, nicht mit dem Kopf dagegen zu fallen.“ Die Seniorin schlug stattdessen mit dem Gesicht auf dem Kopfsteinpflaster des Gehwegs auf. Kaum am Boden, musste die Rentnerin ihre Habseligkeiten schützen. „Die Täter haben an meiner Handtasche gezerrt, aber ich habe sie festgeklammert und nicht losgelassen. Schließlich ergriffen die drei Angreifer die Flucht.“

Zu diesem Zeitpunkt jagte ein Zeuge bereits dem Trio hinterher und konnte einen der Räuber festhalten. Dessen zwei Komplizen konnten jedoch flüchten. Nach ihnen wird jetzt gefahndet.

 

Die alte Dame hatte Glück im Unglück. Denn genau zum Zeitpunkt des Überfalls hatte Altenpflegerin Iris Krusche Dienstschluss in der Seniorenresidenz. Sie fand das schwer verletzte Opfer am Boden liegend auf der Straße. „Die Frau war reglos. Ich habe sie zunächst angesprochen, um zu schauen, ob sie bei Bewusstsein ist. Dann habe ich geprüft, ob sie einen gefährlichen Oberschenkelhalsbruch hat. Als es keine Anzeichen für eine solche Verletzung gab, habe ich der Frau auf die Beine geholfen und die Feuerwehr alarmiert.“ Ein Rettungswagen brachte die 87-Jährige schließlich in ein nahegelegenes Krankenhaus. Dort wurden die Knochenbrüche im Gesicht und an der linken Hand sowie die Verletzungen am Knie diagnostiziert. Zudem entdeckten die behandelnden Ärzte blaue Flecken am ganzen Körper. Dennoch drängte Vera Ellen W. darauf, nach einer ambulanten Behandlung aus der Klinik entlassen zu werden. „Ich wollte in meine eigenen vier Wände“, sagte sie.

Feige, hinterlistig und gemein, so bezeichnet die frühere Laborantin in der Gesundheitsbranche den Angriff, den sie nun auch seelisch erst einmal verarbeiten muss. Ihre in Lübeck lebende Tochter reist an, um sich um die gebürtige Reinickendorferin zu kümmern. Die Seniorin ist besonders schockiert darüber, „dass Kinder so brutal sein können“.

Kriminelle suchen vermeintlich schwache Opfer

Dass sie überhaupt Opfer des Übergriffs wurde, war ein unglücklicher Zufall. „Normalerweise gehe ich die ganze Residenzstraße bis zur Emmentaler hoch nach Hause, nur gestern wollte ich ausnahmsweise die Abkürzung laufen“, berichtete Frau W. am Sonntag mit einem vorsichtigen Kopfschütteln.

Immer wieder suchen sich Kriminelle vermeintlich schwache Opfer für Raubtaten aus. Erst am vergangenen Dienstag ist eine 71-jährige Frau an der Naumburger Straße in Neukölln nach dem gleichen Muster angegriffen, zu Boden gestoßen und beraubt worden. Einziger Unterschied: Es handelte sich um einen einzelnen Täter, der mit der Handtasche der Frau in Richtung Lahnstraße entkommen konnte.

Allein durch minderjährige Täter, die zu zweit, zu dritt oder in Gruppen Straftaten begehen, hat die Polizei im vergangenen Jahr in Berlin 98 Fälle von Handtaschenraub erfasst. Nur etwa ein Viertel dieser Straftaten konnten von der Polizei aufgeklärt werden. Hinzu kamen nach Angaben der polizeilichen Kriminalstatistik 23 weitere Versuche, bei denen die Tätergruppen an der Gegenwehr der Opfer scheiterten. Das bedeutet, dass in Berlin durchschnittlich alle drei Tage ein Handtaschenraub von mehreren minderjährigen Tätern verübt wird.

In vielen Fällen werden die Opfer bei den Übergriffen schwer verletzt. Sie stürzen, ziehen sich Prellungen, Schürfwunden und Knochenbrüche zu und müssen in den meisten Fällen im Krankenhaus behandelt werden.

Erschienen am 06.11.2011

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