Was kommt nach dem Sterben?

Auf diese Frage gibt es verschiedene Antworten. Die kürzeste lautet: "Nichts!" Sie stammt von Atheisten, die den Gedanken an ein Weiterleben nach dem Tode ablehnen.

Religiös eingestellte Menschen dagegen glauben daran.

Hierbei ist in Ländern des Fernen Ostens die Ansicht verbreitet, daß die Seele eines Verstorbenen dessen Körper verläßt und in einen anderen, Mensch oder auch Tier, einzieht. Dies geschehe auf der Erde unzählige Male und wird von uns "Seelenwanderung" genannt. Auch die antiken Griechen, unter ihnen der Philosoph und Mathematiker Pythagoras1, sollen zeitweise an die Seelenwanderung geglaubt haben.

Bei den drei dem Nahen Osten entstammenden Religionen: der jüdischen, christlichen und islamischen, wird an ein Weiterleben in einer unsichtbaren Welt mit den beiden Polen Paradies und Hölle geglaubt. Der dortige Aufenthalt dauert "ewig". (Im von den Katholiken geglaubten "Fegefeuer"2 ist er zeitlich begrenzt.)

Die heiligen Schriften der Juden und Christen enthalten nur wenige Hinweise auf das Leben nach dem Tod. Bei den letzteren lassen sich das Jesus-Wort: "In meines Vaters Haus gibt es viele Wohnungen" im Johannes-Evangelium3 und Stellen in der Johannes-Offenbarung anführen, die sowohl verheißungsvoll wie Schrecken erregend sind.

Von weltlicher, nicht-biblischer Seite gibt es einige mehr oder weniger ausgedehnte Texte zu diesem Thema. Der berühmteste ist die aus über 14000 Versen bestehende "Göttliche Komödie"4 von Dante Alighieri5 aus dem 16. Jahrhundert. Es handelt sich bei ihr um eine besondere Art von Seelenwanderung, die anders als die fernöstliche verläuft.

1909 erschien Mark Twains satirische, aber nicht den Glauben herabsetzende Geschichte "Kapitän Stormfields Besuch im Himmel".6

Vor 1864 und ebenfalls in Prosa schrieb der österreichische Musiker und christliche Schriftsteller Jakob Lorber7 das Buch "Robert Blum im Jenseits". Es knüpft an die klassische Form des Dialogs an, die im europäischen Raum bis auf Platon8 zurückgeht und unter anderem von Cicero9 und Galilei10 fortgeführt wurde.

Lorbers Titelfigur11 war ein im 19. Jahrhundert sehr bekannter, vielfach bewunderter Abgeordenter der Frankfurter Nationalversammlung12 und wurde bei einer revolutionären Erhebung in Wien als angeblicher Rädelsführer standrechtlich erschossen. (Nach ihm entstand die lange Zeit volkstümlich gewesene Redensart "erschossen wie Robert Blum", deren ursprüngliche Bedeutung den meisten, die sie verwendeten, nicht mehr bewußt war.)

Nach Lorbers Vorstellung leben die Verstorbenen im "Jenseits" als Geistwesen weiter. Dieses erscheint ihnen anfangs als dunkle, boden- und trostlose Umgebung, in der sie sich nicht orientieren können. Nach langen Irrungen und Wirrungen treffen Robert Blum und diejenigen, die sich ihm anschlossen, auf Jesus, den sie jedoch nicht erkennen. Durch ihn wird die Gegend, in der sie sich befinden, immer heller und schließlich in Gottes Nähe über alles Erwarten schön.13 Jesus offenbart sich ihnen und nimmt die größtenteils arm und elend Gewesenen im Sinne eines bekannten Bibelworts14 liebevoll auf. Dabei verändern sie sich innerlich wie äußerlich, was spannend und anrührend beschrieben wird. - Jakob Lorber glaubte, daß in der für uns unsichtbaren Welt die Toten kein göttliches Gericht erwartet, sondern daß sich dort jeder selbst richtet, je nachdem, in welchem Maße er das doppelte Liebesgebot15 und das Gebot der Feindesliebe16 erfüllt und zudem alte, sündhafte Gewohnheiten und Einstellungen ablegt. - Lorber setzte sich auch mit der Auffassung des Apostels Paulus über das Verhalten des einzelnen gegenüber der Obrigkeit auseinander17. - Mehrfach kehrt in dem umfangreichen Werk18 der Gedanke wieder, daß Gott es den Menschen frei stellt, sich für das Gute oder Böse zu entscheiden. Ohne diese Freiheit wären sie nichts weiter als willenlose Automaten. - Scharf kritisierte Lorber die katholische Kirche, der er selber angehörte. In ihrem Machtbereich verbot sie seine Bücher. - Jakob Lorber war ein Menschenfreund, und er liebte Gott und Jesus Christus.

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 1 http://de.wikipedia.org/wiki/Pythagoras. Nach ihm ist ein noch heute in den Schulen unterrichteter, mathematischer Satz über rechtwinklige Dreiecke benannt, der aber bereits anderen Völkern bekannt war.
 2 http://de.wikipedia.org/wiki/Fegefeuer. Das Wort enthält "fegen" im ursprünglichen, altdeutschen Sinne von "reinigen", "putzen" u. ä. In Lübeck gibt es eine Schwertfegerstraße. Ein Schwertfeger reinigte eiserne Waffen vom Rost und gab ihnen neuen Glanz. Feuer, der zweite Teil des katholischen, nicht biblischen Begriffs, dient seit altersher dazu, in Metallgemischen durch Schmelzen edle von unedlen Bestandteilen zu trennen. Diesen Vorgang nennt man "Läuterung" und wendet ihn in übertragenem Sinn auch auf die Seele des Menschen an.
 3 Johannes Kap. 14, Vers 2
 4 http://gutenberg.spiegel.de/buch/5060/1, online lesbar.
 5 http://de.wikipedia.org/wiki/Dante_Alighieri
 6 http://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Twain". Online lesbare Werke: http://gutenberg.spiegel.de/autor/600.
Zu "Stormfield": http://www.gutenberg.org/files/1044/1044-h/1044-h.htm und (z. B.) hier, letzte drei
Abschnitte
 7 http://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Lorber     http://www.jakob-lorber.org/lo1000.htm
 8 http://de.wikipedia.org/wiki/Platon. Seine Dialoge waren lange Zeit Unterrichtsstoff humanistischer Gymnasien. Einer von ihnen ist der Menon-Dialog mit einem kleinen mathematischen Abschnitt.
 9 http://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Tullius_Cicero. C. hatte als Politiker ein bewegtes Leben und wurde zum Schluß von seinen Gegnern auf der Flucht ermordet. Auch er schrieb, wie Platon, Dialoge philosophischen und staatsrechtlichen Inhalts. Ciceros Werke werden auch heute noch an Schulen mit Latein als Fremdsprache unterrichtet.
10 http://de.wikipedia.org/wiki/Galileo_Galilei. Wegen seines Eintretens für das heliozentrische Weltsystem anstelle des von der Kirche als verbindlich vorgegebenen geozentrischen Systems wurde er von ihr zu lebenslänglichem Kerker verurteilt. Praktisch mündete dieser in einen Hausarrest bis zum Ende des großen Naturforschers ein. Anlaß für die Verurteilung war sein Dialog (der in Wirklichkeit ein Trialog, ein Dreiergespräch, ist) über die beiden Systeme. Dem Todesurteil (vermutlich durch Verbrennen bei lebendigem Leib wie bei zahllosen anderen, sogenannten "Ketzern") entkam Galilei nur durch einen erzwungenen Widerruf, vgl. hier. Den Dialog kann man in italienischer Sprache hier lesen.
11 http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Blum
12 http://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Nationalversammlung
13 Wer Lorbers Schilderung liest, denkt vielleicht an Epheser 2,19: "So seid ihr nicht länger Fremde und Heimatlose; ihr gehört jetzt als Bürger zum Volk Gottes, ja sogar zu seiner Familie. " (Übers. Hoffnung für alle)
14 "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken." Matthäus11, Vers 28
15 Markus Kap. 12, Verse 28-31
16 Matthäus Kap. 5, Verse 43-48
17 Band 1, Kap. 17; dazu von mir: http://www.hjcaspar.de/hpxp/gldateien/roemer.htm, unterer Teil
18 Es besteht aus zwei Bänden, die hier und hier im Internet veröffentlicht sind.
(Anmerkung: Einiges an Lorbers Sprache wirkt für uns Heutige altertümlich. Das Wort "so" verwendet er zum einen im Sinne von "wenn" und zum andern als Relativpronomen wie in einem bekannten Kirchenlied, in dem es heißt: "O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat." Und die Anrede "Sie" wird in dem Buch über Robert Blum durchgehend klein geschrieben. Das ergibt häufige Verwechslungsmöglichkeiten mit "sie" als 3. Person Plural.)

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