Daß Jesus sterben mußte, setzt anscheinend voraus, daß die Menschen wegen ihrer Sünden den Tod verdient hatten. Tatsächlich urteilt und straft Gott differenzierter. Dem Lexikon zur Bibel von Fritz Rienecker und Gerhard Maier (Brockhaus Verlag, ISBN 3-417-24678-4), S. 1531f, entnehme ich dazu folgendes:

"Strafe durch Gott oder Menschen trifft alle, die sich an Gott und seiner Ordnung vergangen und damit Schuld und Sünde auf sich geladen haben. Somit macht die Strafe das Böse in seiner Verkehrtheit offenbar und bringt Gottes angetastete Ehre und die von ihm gesetzte Ordnung wieder zur Anerkennung, bekundet also Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit. Ihr Ziel ist demnach nicht allein, oder auch nur in erster Linie die Besserung des Schuldigen, Abschreckung oder Wiedergutmachung durch den Strafvollzug an sich; denn auch die vollkommenste Strafeinrichtung kann niemals die notwendige und ersehnte Erlösung des Menschen von der ihn beherrschenden Macht des Bösen ersetzen. Vielmehr soll der Bestrafte nun auch durch das Übel der Strafe zum Bewußtsein seiner Gottesferne, damit aber zur Sehnsucht nach Hilfe und so zur Umkehr gebracht werden. Die Strafe soll den Sünder von der Sünde trennen, wenn der Bestrafte jedoch in seiner Sünde beharrt, beide vernichten ...
Wenn Gott in seinem Zorn straft, verschmachtet der Mensch (Ps. 6,2;38), werden einzelne oder auch Familien, ja sogar ganze Völker vernichtet ...
Nicht immer decken sich persönliche Sündenschuld und Sündenstrafe für den äußeren und oberflächlichen Blick des Menschen. Es gibt lange fortgesetzte Bosheit und Sünde ohne baldigen Strafeintritt, und es gibt als Strafe empfundene Last ohne das Bewußtsein persönlicher Schuld. ...
Häufig trifft Gottes vergeltende Gerechtigkeit oder die Strafe des Gesetzes die Sünder gerade mit dem, womit sie selbst gesündigt haben. David, der Uria ermorden ließ, erlebte Mord und Totschlag in der eigenen Familie. ...
Bei Körperverletzung (2Mo 21,23-25) und falscher Zeugenaussage (5Mo 19,18-21) soll auch die Strafe durch Menschen den Täter in genauer Entsprechung zur Tatfolge treffen. Wiedergutmachung gehört zur Strafe für Diebstahl und die dem Besitz eines anderen zugefügten Schäden (2Mo 22,2ff). Im Sinne dieser Vorschrift erstattet Zachäus sein unrecht erworbenes Gut vierfach zurück (Lk 19,8)."

Speziell zum Opfertod Jesu Christi heißt es:

"... die zu tragende Straflast kann auch zur Verherrlichung Gottes dienen (Hiob 2,3b; Joh 9,3; vgl. 11,4). Dieser Gedanke findet seine höchste Steigerung in der Strafe (wörtlich Strafzüchtigung), die der Gottesknecht von Jes 53,5-7 nicht für eigenes, selbstbegangenes Unrecht, sondern stellvertretend für andere auf sich nimmt, um ihnen den Frieden mit Gott zu erschließen. Was hier Verheißung ist, erfüllt sich in Jesus Christus. Er, der Richter, trägt die Todesstrafe der Schuldigen und begnadigt sie zum Leben. ..."

Diese Ausführungen des Lexikons zur Bibel lese ich mit Gewinn und bin dankbar für sie. Häufig ist es bei religiösen Fragen und Problemen ja so, daß nur wenig erklärt wird und manches schwer Verständliche einfach nur geglaubt werden soll, obwohl man es nicht wirklich kann. Die obigen Textausschnitte helfen mir hier weiter. Offen bleibt für mich noch, ob es sich bei Naturkatastrophen, beim Tod Unschuldiger in Kriegen oder wenn jemand ermordet wird, auch um Strafen für begangene Sünden handelt - das zu glauben wäre ich nicht imstande - , oder ob hier noch etwas anderes eine Rolle spielt, das zu den Geheimnissen Gottes zählt.

Was Mahatma Gandhi über soziale Sünden schrieb

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