Religion als "Kampfmittel"

In einem Diskussionsforum des Internet ("Seniorentreff") ging es eine Zeit lang heiß her. "Religion als Kampfmittel" hieß das von jemandem eröffnete Thema. Die meisten Teilnehmer an dieser Gesprächsrunde äußerten sich negativ über die Religion, speziell die christliche. Dieser hielten sie die Irrtümer, Vergehen und Verbrechen vor, die die Kirche über Jahrhunderte unleugbar beging: Kreuzzüge, Ketzer- und Hexenverbrennungen, um nur einiges zu nennen. Dabei wurde nicht unterschieden zwischen der Lehre Jesu Christi und ihrem Mißbrauch durch grausame, unmoralische und machtgierige Menschen; beides wurde auf nicht sachgerechte Weise miteinander vermengt. Es wurde versucht, die Religion für das viele Schlechte in der Welt verantwortlich zu machen, unter anderem für Kriege und Eroberungen aus angeblichen Glaubensgründen. Dies kam bereits deutlich durch die gewählte Themen-überschrift zum Ausdruck.

Hierzu schrieb ich:

Von den Religionen, die es in den verschiedenen Teilen der Erde gibt, kenne ich nur eine etwas genauer: das Christentum. Dieses ist eine Religion der Liebe, der Liebe zu Gott und den Mitmenschen und schließt - als sittliche Forderung - sogar die Feindesliebe mit ein. Im Neuen Testament, das die Grundlage der christlichen Religion bildet, steht an keiner Stelle, daß jemand mit Gewalt zum Glauben gebracht werden soll, auch nichts davon, daß andere, nichtchristliche Länder zu überfallen seien, nichts vom Segnen der Waffen u. dgl. mehr. - Zwangstaufen, Kreuzzüge zur Eroberung des "Heiligen Landes", Ketzer- und "Hexen"verbrennungen im Namen Gottes waren unchristlich; sie widersprachen der christlichen Lehre und den von ihr verkündeten Idealen.

Laßt uns deshalb damit aufhören, die Religionen, speziell die christliche, als solche zu kritisieren - allein ihr Mißbrauch ist schädlich und verurteilenswert.

Etwas überspitzt könnte man sagen: wenn alle Menschen so handelten wie Jesus es lehrte und vorlebte - er selber wurde zum Opfer einer religiös fanatisierten Menschenmenge -, würde es keine Verbrechen und Kriege mehr geben. (Dies gilt natürlich auch für andere Religionen, die zum friedlichen Zusammenleben, zu gegenseitiger Toleranz usw. und nicht zu Haß und Unterdrückung aufrufen.)

Um mit der Verwirklichung christlichen Gedankenguts bei sich selbst anzufangen, muß man erst gewisse Grundkenntnisse davon besitzen. Diese scheinen einigen Kritikern, die die Lehre und ihren Mißbrauch in einen Topf werfen und beides nicht auseinanderhalten können oder wollen, zu fehlen. Zwei Bibelstellen, die den liebevollen, friedfertigen Charakter des Christentums besonders hervorheben, sind Matthäus 5,3-9 ("Bergpredigt") und 1.Korinther 13,1-13.

Auch nichtreligiöse Strömungen und "Bewegungen" können die Massen desorientieren, für ungute Zwecke mobilisieren und damit weltweit großen Schaden anrichten. Genannt seien nur die Rassen- und die Klassenideologie des vergangenen Jahrhunderts, die unzähligen Menschen das Leben kosteten. Oder die noch heute gefeierte Französische Revolution, die im Namen der "Vernunft" in einem sinnlosen Blutbad endete. Im übrigen glaube ich nicht, das es die Religionen sind, die das Identitätsgefühl der Völker bestimmen, wie oben behauptet, und auch nicht, daß sie die stärkste Motivationskraft bei Konflikten bilden.1) Das ist zumindest bei unserem eigenen Volk nicht der Fall, dem man starke Religiosität wohl kaum nachsagen kann.


Ein Diskussionsteilnehmer schrieb in Bezug auf religiöse Erziehung anklagend etwas von "Indoktrination", von Schuldgefühlen, die Kindern und Jugendlichen aufgeladen würden, wobei er sich auf eigene Erfahrungen berief; er redete von Dummheit und Willenlosigkeit der Gläubigen und ähnliches mehr. Ihm antwortete ich:

... Ich selber habe, als Erwachsener, andere Erfahrungen gemacht als Du: seit einigen Jahren erst gehe ich jeden Sonntag zum Gottesdienst, und zwar freiwillig. Dort erfahre ich keine Schuldgefühle (und wenn, wird eine heilsame Selbstprüfung angestoßen); auch wird nicht meine "Dummheit" und "Willenlosigkeit" ausgenutzt. Was ich höre, ist gut für mich, stimmt mich milder, macht mich hilfsbereiter, liebevoller und nachdenklicher.2) Ich bemühe mich stärker, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden (wobei der Maßstab dafür natürlich von Mensch zu Mensch verschieden ist), lerne Interessantes und Anregendes kennen, von dem ich früher nichts wußte. Um mich ein wenig für das zu revanchieren, was ich empfange, beteilige ich mich an der Jugendarbeit in unserer (evangelischen) Gemeinde, ohne die Kinder zu schrecken und mit negativen Gefühlen zu beladen. Ich dachte mir, daß es günstig sei, sie nicht nur dem Fernsehen, dem "Gameboy" und schlechter Stimmung zu Hause zu überlassen, die oft genug dort herrscht und in der sich die Kinder alleingelassen fühlen. Wir spielen mit ihnen und erzählen ihnen nebenbei zwanglos von Jesus und dem, was ER den Menschen an Gutem anbot und vorlebte...


Auf diesen Beitrag ging niemand ein. Die folgenden blieben religions- und kirchenfeindlich. Mit Berufung auf gewisse, nicht näher bezeichnete christliche Theologen wurde sogar das Wesen und Wirken Jesu angezweifelt. Um die Ansicht von Religion als Kampfmittel weiter zu untermauern, kamen auch der Islam, die Terroranschläge vom 11. September 2002 sowie die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems in Indien zur Sprache. Die positiven Seiten des Glaubens an Gott, seine segensreichen Wirkungen für den einzelnen wie für das friedliche Zusammenleben der Menschen insgesamt spielten in der Diskussionrunde bis zum Schluß keine Rolle.

1) Nachtrag. Daß in unserer Zeit, die durch religiöse Indifferenz in großen Teilen der Welt gekennzeichnet ist, Religiöses Anlaß zum Völkerhaß, zu Mordaufrufen, Zerstörung diplomatischer Einrichtungen usw. bieten kann, zeigen die Ereignisse Anfang Februar 2006 in islamischen Ländern von Nordafrika bis Indonesien. So etwas habe ich nicht vorausgesehen, als ich das Obige schrieb und muß mich hier teilweise korrigieren. Die Religion kann doch eine größere Triebkraft in der Weltpolitik entwickeln, als ich dachte. Ausgelöst wurden die weit über den eigentlichen Anlaß hinausgehenden Ausschreitungen und übertriebenen Aktionen großer Menschenmassen durch Karikaturen des Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung. Über die Hintergründe, darüber, wie das Ganze begann, berichtet die Wochenschrift DIE ZEIT auf ihrer Seite www.zeit.de/2006/06/D_8anemark_neu. Daraus geht hervor, daß ursprünglich die Absicht bestand, ein Kinderbuch für islamische Immigranten in Dänemark zu schreiben und daß der Autor des geplanten Buches dem Islam wohlwollend gegenübersteht. Bei seinem Projekt hatte er nach dem Bericht keinesfalls die Absicht, den Propheten Mohammed zu beleidigen. Die christlichen Kirchen und namhafte weltliche Vertreter in den demokratisch regierten Ländern hielten sich in der schwierigen, den Weltfrieden gefährdenden Krise zurück, um nicht Öl ins Feuer zu gießen. Sie forderten, während sie das Prinzip der Pressefreiheit und der freien Meinungsäußerung verteidigten, gleichzeitig zum Respekt vor anderen Religionen auf, damit niemand in seinen religiösen Gefühlen verletzt wird und sich zu leidenschaftlichen, unverantwortlichen Handlungen gedrängt sieht. Dabei wurde auch gefordert, daß in den islamischen Ländern darauf verzichtet wird, in den Zeitungen herabsetzende Karikaturen über Christen und Juden zu veröffentlichen, die dort an der Tagesordnung sein sollen.
2) Was ich damals in dem Diskussionsforum nicht schrieb und auch noch ergänzen möchte: wer an Gott glaubt, bemüht sich, nicht zu lügen, aufzubrausen oder nachtragend zu sein. Er redet nicht schlecht über andere, beteiligt sich nicht am mobbing. Haßgefühle, Neid und übertriebener Ehrgeiz (die einen selber kaputtmachen können) sucht er zu vermeiden. Gläubige achten nicht immer nur auf den eigenen Vorteil und kümmern sich häufig um andere, die einsam und krank sind. Natürlich gibt es auch Menschen, die nicht an Gott glauben und ebenso eingestellt sind und handeln; aber der Glaube ist eine große Hilfe, sich in bestimmten Situationen und allgemein zu verhalten, wie ich es hier nur unvollständig aufzähle. Die Zehn Gebote, die Bergpredigt und weitere Stellen in der Bibel bilden für Gläubige eine Richtschnur, die woanders, etwa bei atheistisch-philosophischen Systemen, in dieser Ausgeprägtheit kaum zu finden ist.

Weiterer Nachtrag: Unabhängig vom Karikaturenstreit hier ein neueres Beispiel religiösen Fanatismus' - selbst Kinder dürfen, so wird in dem Bericht zitiert, nach der Scharia getötet werden, wenn sie ... (Kopie aus dem Internet von Spiegel Online, für den Fall, daß die Originalseite im Laufe der Zeit nicht mehr erreichbar ist.)
Seit ca. 2012 bekämpfen sich in Ländern des Nahen Ostens gegenseitig verschiedene muslimische Gruppen militärisch unter Einsatz schwerer Waffen. Christen und andere religiöse Minderheiten werden dabei nicht geschont, sondern vertrieben und ermordet.

Ein Wort des Hl. Ambrosius
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