Vorbemerkung:
Es gibt im Internet eine größere
Anzahl von Seiten (Näheres s. u.), die sich der Frage widmen, welche Rolle Frauen
in der Umgebung Jesu, in den christlichen Urgemeinden und in der späteren
Entwicklung der Kirche spielten. Lange bevor es diese Seiten gab oder ich sie
entdeckte, hielt ich darüber – nicht so ausführlich – das folgende Referat in einem Bibel-Hauskreis. Ich
sprach frei; der hier wiedergegebene schriftliche Text diente mir lediglich als Grundlage und zur Orientierung bei den einzelnen Bibelstellen.
Jesus und die Frauen
Zur Zeit Jesu galt in Israel das Patriarchat: der Mann bestimmte, und die Frau hatte zu gehorchen. Es gehörte sich nicht, daß sie ohne männliche Begleitung aus dem Haus ging, denn dann bestand die Gefahr, daß sie unterwegs von einem fremden Mann angesprochen wurde, und auch sie selbst durfte keinen fremden Mann ansprechen. Auch schickte es sich für einen Mann nicht, fremde Frauen anzusprechen.
Jesus erfuhr – im Gegensatz dazu – beides: er wurde von Frauen angesprochen, und er sprach selber welche an.
Diejenigen, die ihre Scheu überwanden und von sich aus mit ihm sprachen, suchten Hilfe; er gab sie ihnen freundlich und liebevoll. Und denjenigen gegenüber, mit denen er selber anfing zu reden, offenbarte er sich als der Heiland.
Frauen waren es, die unter dem Kreuz des sterbenden Jesus ausharrten und weinten (allerdings war von seinen Getreuen auch ein Mann dabei: sein Lieblingsjünger Johannes).
Frauen fanden am Auferstehungstag das leere Grab vor und informierten die männlichen Gefährten Jesu.
Frauen spielten, als Jesus lebte und wirkte, und auch noch einige Zeit nach seinem Tod eine bedeutende Rolle. Später schwächte sich das unter dem Einfluß der sich bildenden Kirche ab.
Jesus verhielt sich gegenüber Frauen vollkommen anders, als es üblich und durch die Sitte vorgeschrieben war. Er löste damit Erstaunen aus und machte sich Feinde.
Insgesamt lassen sich viele Frauen nennen, die mit Jesus in Berührung kamen. Ich zähle einige von ihnen auf und gehe dann zum Teil in die Einzelheiten:
Mindestens fünf verschiedene Frauen mit Vornamen Maria gab es: seine Mutter, dann Maria, die Frau von Jakobus dem Jüngeren (Mk15,40), Maria im Hause des Kleophas (Joh19,25) und Maria von Bethanien, die Schwester des Lazarus (Joh11,1ff.) Eine besondere Rolle in der damaligen, von Männern beherrschten Gesellschaft spielte Maria aus Magdala, weil sie wohlhabend und unabhängig war. Sie wird an verschiedenen Stellen der Bibel genannt z. B. bei Lk8,2 und Mk16,9 und war eine der treuesten Jüngerinnen Jesu. Sie unterstützte ihn und die übrigen Jünger finanziell und gehörte mit zu den Frauen unter dem Kreuz, als Jesus starb.
Ziemlich bekannt ist Marta von Bethanien (Lk10,38, Joh11,1ff., Lk10,38-42, Joh11,19, Mk14,3 und weitere), eine zweite Schwester des Lazarus, weniger dagegen Johanna, die Frau des Chusas (Lk8,3) und Salome von Galiläa (Mk15,40).
Von einigen Frauen wird ihr Name nicht genannt. Dazu gehören die an Blutfluß leidende Frau (Mk5,25-29), die wegen ihrer Krankheit verzweifelt und besonders mutig war (gemessen am damaligen Verhaltenskodex) und gläubig; weiter die Schwiegermutter des Simon (Lk4,38), die Samariterin am Brunnen (Joh4,7ff) und eine Prostituierte im Hause Simon des Pharisäers (Lk7,37-38).
Jesus sprach zu seinen Jüngern und anderen Zuhörern oft in Gleichnissen. In einem, das mir besonders gefällt, kommt ebenfalls eine Frau vor (Mt15,21-28), und darauf möchte ich nun ganz zum Schluß näher eingehen.
Text gemeinsam lesen
Mein Kommentar:
Da war also eine Frau und noch dazu eine Ausländerin, die sich an Jesus um Hilfe wandte. Juden
war es nicht gestattet, Gemeinschaft mit Ausländern zu haben. Sie würden sich
verunreinigen. In der
damaligen Gesellschaftsordnung gehörte es sich nicht, wie ich schon sagte, daß
ein Mann einfach so mit einer fremden Frau spricht. Und es gehörte sich noch
viel weniger, daß eine Frau einen fremden Mann anspricht. Doch diese Frau tat
das trotzdem. Ich erwähnte oben unter den fünf
Marien Jesu Mutter. Zu ihr war er nicht so freundlich wie zu den
anderen, fremden Frauen, sondern schroff und schon fast im Gegensatz zum
Vierten Gebot. Das war bei der Hochzeit zu Kanaan. (Joh2,1-12; V.4: "Was geht's dich an, Frau, was ich
tue?", Luther 1984) Was diese Schroffheit
bedeutet, weiß ich nicht. (Hier kommt vielleicht für einem Moment noch einmal die Männerdominanz zum Durchbruch, wie sie damals typisch war.)
Die Jünger verhielten sich traditionell: Sie
schlugen Jesus vor, die Frau fortzuschicken. Bei einer anderen Gelegenheit taten sie Ähnliches.
Als Frauen mit ihren Kindern zu Jesus wollten, versuchten die Jünger, sie davon abzuhalten. Jesus aber sagte: "Lasset die Kindlein zu mir kommen!" Er herzte und und segnete sie. (Mk10,13-15)
Bei der in Mt15,21-28 geschilderten Begebenheit ist es anders. Ehe die Jünger es sich versehen, ist die Frau bei Jesus. Er braucht nicht zu sagen: "Laßt sie zu mir kommen!" Aber er hilft ihr auch nicht, sondern belehrt sie: "Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des
Hauses Israels gekommen."
Der Frau ist das egal. Sie wirft sich vor Jesus nieder und
wiederholt ganz einfach und direkt: "Herr, hilf mir."
Jesus gibt ebenfalls nicht nach, jedenfalls nicht sofort, und greift sogar zu einem sehr
drastischen Vergleich, der die Frau und ihre Angehörigen eigentlich beleidigen
muß: er verwendet den Ausdruck "Hunde", und das war die verächtliche
Bezeichnung der Juden für die anderen Völker um sie herum.
Die Frau läßt sich davon nicht beeindrucken, ist nicht gekränkt
und wendet sich nicht entrüstet ab, sondern geht auf diesen Vergleich
schlagfertig ein, so daß sich Jesus schließlich erweichen läßt und ihren
dringenden Wunsch erfüllt.
Diese Schlagfertigkeit der Frau ist es, die mich an dem Gleichnis
so erfreut, und daß Jesus seine anfängliche, dogmatisch festgelegte Starrheit
aufgibt. Er korrigiert sein Verhalten, bleibt nicht der irrtumsfreie
Unwandelbare, verhält sich in dieser Situation wie ein mitfühlender Mensch. Und
als Mensch kam er ja zu uns auf die Erde. Er konnte zum Beispiel zornig und
traurig werden und hatte in einer bestimmten Situation sogar Angst, die er
tapfer überwand. Und hätte er der Frau, die ihn so dringend bat, nicht geholfen
– wäre das nicht ein Verstoß gegen sein eigenes Gebot der Nächstenliebe
gewesen?
Nachwort:
Und was Maria selbst betrifft, so haben die Katholiken und
Orthodoxen ein weit innigeres Verhältnis zu ihr als wir Protestanten. Sie sehen
sie – vielleicht nicht ganz biblisch – als Mittlerin zwischen dem Menschen und
Jesus an, wenden sich mit Bitten vertrauensvoll auch an sie, preisen und
verherrlichen sie als "Mutter Gottes".
Internetseiten (Auswahl,
sehr unvollständig):
http://www.futurechurch.org/languages/german/jesus.htm
http://www.jesusarchive.com/jesus-und-die-frauen.htm
http://www.theologie-heute.de/Jesus_und_die_Frauen.pdf
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1867016/Jesus-und-die-verschwundenen-Frauen-
(informatives
Video; zum Abspielen wird die jeweils neueste Version des Flashplayers benötigt)
https://www.bibelwissenschaft.de/~maria-aus-magdala-1/ch/ddd3d9408b85e07c1c25b5601caaaae0/
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