Quelle: derStandard.at 06. November 2011 17:59 (Auswahl; farbliche Hervorhebungen von mir, H.-J. C.)

http://derstandard.at/1319182099945/Farc-nach-Tod-von-Comandante-Cano-geschwaecht

Farc nach Tod von Comandante Cano geschwächt

7000 Soldaten sind im Einsatz, um die Guerillagruppe zu bekämpfen, doch auch nach dem Tod ihres Anführers Alfonso Cano wollen die "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" nicht aufgeben

Bogotá/Puebla - Der ältesten und schlagkräftigsten Guerillagruppe Lateinamerikas droht nach 47 Jahren bewaffneten Kampfes das Ende. Mit dem Tod ihres Anführers Alfonso Cano haben die "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (Farc) innerhalb von fünf Jahren ihren vierten historischen Anführer verloren. Cano starb bei einer Militäroffensive am Freitag in einer bergigen Urwaldregion im Südwesten des Landes, wie Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón bekanntgab. Das Militär habe sein Hauptquartier bombardiert, Cano habe versucht, zusammen mit seiner Leibgarde den Belagerungsring zu durchbrechen - dabei sei er umgekommen.

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3,7 Millionen Dollar Kopfgeld

Präsident Juan Manuel Santos zufolge waren Tipps ehemaliger Farc-Guerilleros ausschlaggebend für den Erfolg. Die Regierung belohnt seit einigen Jahren Deserteure mit Geld und Amnestie. Auf Canos Kopf, der im bürgerlichen Leben Guillermo León Saenz hieß, hatte die Regierung 3,7 Millionen Dollar ausgelobt, auf ihn wurde auch ein 7000 Mann starkes Sonderkommando angesetzt.

Santos appellierte nun an die Farc, die Waffen niederzulegen und die Gelegenheit zu Friedensgesprächen zu nutzen. Andernfalls drohe ihr die vollständige militärische Vernichtung. "Wir werde nicht nachlassen, sondern unsere Anstrengungen verdoppeln, bis wir Frieden für dieses Land erreichen."

Die Farc lehnten Gespräche aber umgehend ab: Es sei nicht das erste Mal, dass einer ihrer Anführer sterbe, Cano werde durch jemanden ersetzt, der ebenso mutig und siegesgewiss sei. Der Friede komme nicht durch eine Demobilisierung zustande, sondern dadurch, dass die Gründe für den bewaffneten Kampf wegfielen.

In Kolumbien ist der Reichtum sehr ungleich verteilt. Die Farc erhoben sich in den 60er-Jahren, um für eine Landreform und soziale Gerechtigkeit zu kämpfen, verwandelten sich jedoch in den vergangenen 20 Jahren immer mehr in eine kriminelle Organisation, die sich durch Drogen- und Waffenhandel, Schutzgelderpressungen und Entführungen finanziert. Deshalb verloren sie den Rückhalt in der Bevölkerung, und deshalb setzten die USA - und in ihrem Fahrwasser auch die EU - die Gruppe auf die Liste der Terrororganisationen.

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Der Tod Canos ist Insidern zufolge zwar ein schwerer Schlag für die Guerillaorganisation, aber sie werde weiter existieren. Die Farc steckten nun in einer Führungskrise, die mittelfristig ihre militärische Schlagkraft schwäche, so der Militärexperte Alfredo Rangel. Sie konzentrierten sich nur noch auf die Verteidigung einiger wichtiger Korridore, so der Universitätsprofessor Camilo Echandia Castilla. Der ehemalige Friedensbeauftragte Camilo Gómez hingegen rechnet mit einem gezielten Gegenschlag. "Damit haben die Farc immer demonstriert, dass sie auch nach dem Tod eines Anführers nicht am Ende sind."

Die Zeiten, in denen die Farc mehr als ein Drittel des Landes kontrollierten, mit Bomben die eleganten Klubs der Hauptstadt aufmischten und ganze Gemeinderäte verschleppte, sind jedoch vorüber. Von den einst 17.000 Kämpfern sind mittlerweile offiziellen Zahlen zufolge noch rund 8000 übrig, die Farc kontrollieren nur noch einige abgelegene, kaum besiedelte Regionen, ihre Truppen sind zersplittert.

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(Sandra Weiss, DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2011)