Evolution oder Schöpfung?

Seit den Tagen Darwins gibt es einen, manchmal mit großer Leidenschaft und Härte geführten, geistigen Kampf um die Richtigkeit zweier entgegengesetzter Meinungen:

Die eine besagt, daß sich alles nach und nach, im Laufe von vielen Milliarden Jahren entwickelt habe. Insbesondere sei die Erde nach der Sonne entstanden.

Die andere stützt sich wortwörtlich auf die Bibel und besagt unter anderem: Die Welt wurde von Gott innerhalb von sechs Tagen geschaffen. Erst war die Erde da, dann kamen die Sonne und die anderen Himmelskörper hinzu.

Zwischen beiden Ansichten gibt es eine Art mittlere Auffassung: daß Gott seine Schöpfung nicht nach sechs Tagen beendet habe, sondern bis heute damit fortfährt. Auf Lateinisch nennt man das "creatio continua".

Im Buch eines angesehenen Informatikers1), das die Voraussetzungen beider Richtungen sehr sorgfältig und ausführlich anhand zahlreicher Zitate untersucht, darstellt und kommentiert, fand ich (auf S. 62): "... Bis auf den Unterschied von drei Tagen sind damit alle Gestirne des Universums gleich alt. ... Die Erde begann auch nicht als glühender Feuerball, sondern hatte am Anfang eine kühlende Wasseroberfläche (1Mo1,2)." Hierzu wie auch zum Schöpfungsglauben2) insgesamt bekennt sich der Autor an vielen Stellen seines Buches. Abgesehen davon, daß das Bibelzitat falsch ist3), kann ich ihm größtenteils nicht folgen.

Auf der anderen Seite erscheint mir der atheistisch-materialistische Standpunkt der "Evolutionisten" ebensowenig akzeptabel. Sie betonen immer wieder – und auch das wird in dem Buch sehr detailliert wiedergegeben – , daß bei ihrer Weltsicht ein schöpferisches Wesen unnötig und überflüssig sei. Was sie dabei aber nicht erklären können, ist, wie das Ganze anfing (mit dem "Urknall" sagen manche) und wie es kommt, daß sich alles weiterentwickelt: "vom Niedrigen zum Höheren, vom Einfachen zum Komplizierten". Nicht gesagt wird, worin nach ihrer Meinung die Antriebskraft, die eigentliche Ursache für diese Aufwärtsbewegung besteht. Manche ziehen hierbei – und das findet man viel im Internet – den aus der Physik stammenden Entropiesatz heran, wobei dieser oft falsch angewendet wird. Wer dieses thermodynamische Naturgesetz schuf; wer die bei der Urknallhypothese als vorhanden angenommene, unvorstellbar große Materie- und Energiemenge auf ein nahezu punktförmiges Gebiet konzentrierte und dann den "Startschuß" gab, so daß es "knallte", bleibt dabei unberührt. Statt "Gott" sagen diejenigen, die so denken, "die Natur"; diese wird dadurch in meinen Augen vergöttlicht, und der Unterschied zu den an Gott Glaubenden verwischt sich.4)

Die Idee der Evolution hat sich in weiten Teilen der Wissenschaft und des öffentlichen Bewußtseins ausgebreitet und wird auch in der Schule gelehrt. Dennoch haftet ihr Unsicherheit an.
Die eigentliche Darwinsche Ausgangsposition wurde modifiziert und immer weiter verfeinert; auch sie unterliegt offenbar einer Evolution, die bis heute keinen Abschluß gefunden hat. Einen Eindruck von der Vielzahl der inzwischen vorhandenen, teilweise miteinander rivalisierenden evolutionistischen Teiltheorien gewinnt man zum Beispiel hier5).

Selber neige ich zu der oben genannten mittleren Linie, indem ich folgendes sage: Es gibt Gott. Er hat alles, Totes und Lebendiges, einschließlich unserer selbst, geschaffen und tut es immer noch weiter. Was die Bibel im ersten Buch Mose schreibt, ist eine unvollkommene, gedrängte Wiedergabe dieses fortlaufenden Schöpfungsvorganges, von dem die Heilige Schrift nichts ahnt und weiß. Die Menschen, die damals lebten und beim Niederschreiben dessen, was sie glaubten, von Gott inspiriert waren, hatten ein sehr viel einfacheres Naturverständnis als wir; der Begriff "Entwicklung" war bei ihnen nur wenig ausgeprägt und spielte in ihrem Denken eine geringe Rolle.

Gott gibt denen, die auf ihn hören, immer nur soviel an Wissen, wie sie es aufnehmen können. Wie Er Leben schuf, wohin die Reise geht und was unsere Nachfahren vielleicht an Neuem davon verstehen werden, ist Sein Geheimnis wie so vieles, was wir nicht ergründen können.

Alles zu wissen und zu erkennen, ist für mich ein unerreichbares und deshalb nicht wünschenswertes Ziel. Ich freue mich auch an Geheimnsivollem. Dieses gibt es nicht nur auf religiösem Gebiet, sondern unter anderem sogar in der Mathematik.6)

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1) Prof. Dr.-Ing. Werner Gitt: Schuf Gott durch Evolution? - Christliche Literatur-Verbreitung e.V., Postfach 110135, 33661 Bielefeld
2)Wenn ich hier "Schöpfungsglaube" schreibe, dann meine ich diesen im engeren Sinne, bei dem die Schöpfung nach Ablauf der ersten sechs Tage perfekt war und nicht mehr verändert oder ergänzt wurde. Diese Auffassung könnte man meiner Ansicht nach "statisch" nennen, im Gegensatz zu der oben kurz erwähnten "dynamischen", nach der die Schöpfung andauert und ständig Neues hinzukommt.
3) In 1 Mos 1,2 heißt es: "Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser." (Luther-Übersetzung) Hier steht nichts davon, daß das Wasser "kühl" war. Vielleicht war es das, doch wissen wir es nicht. Die Bibel gibt in ihrem weiteren Verlauf darüber keine Auskunft. Es ist unwichtig, und Derartiges von sich aus hinzuzufügen, hat wenig Sinn.
4) Als Antwort auf einen der Evolution gewidmeten Artikel im Diskussionsforum "Matheplanet" schrieb ich hierzu: "... interessant finde ich an S...s Ausführungen unter anderem, daß dort die Natur fast wie eine lebende Person angesehen wird: sie tut etwas, sie 'arbeitet', hat einen anderen Zeithorizont als wir usw. Ihr Tätigkeitsfeld ist das gesamte Weltall. Damit wird die Natur, vermutlich unbewußt, in die Nähe eines göttlichen Wesens gerückt. Von Gott unterscheidet sich dieses jedoch beträchtlich: nach dem Artikel kann die Natur nicht denken; sie hat Vorurteile, spielt und spekuliert. Alles das sind menschliche Schwächen und Verhaltensweisen, die ihr auf diese Weise zugeschrieben werden. Wie sagte doch Einstein? 'Gott würfelt nicht.' Das bedeutet, daß Gott planvoll, zielgerichtet vorgeht, daß Er weiß, was er tut. Nur wir wissen's nicht." –
Was man der Natur noch so alles nachsagt: s. hier, drittletzter Absatz.
5) http://www.waschke.de/twaschke/gedank/g_theor.htm – Scherzfrage: Warum können die "Ossis" nicht vom Affen abstammen? Antwort: weil die Affen es nie 40 Jahre lang ohne Bananen ausgehalten hätten. (Aus dem Internet.)
6) In den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts bewies Kurt Gödel streng logisch, daß dort bestimmte Behauptungen weder bewiesen noch widerlegt werden können. Zu ihnen, die unentscheidbar genannt werden, gehört möglicherweise die berühmte, einfach klingende Goldbachsche Vermutung: "Jede gerade Zahl größer als 4 läßt sich als Summe von 2 Primzahlen schreiben." (Zur Erinnerung: Primzahlen sind nur durch 1 und sich selber ohne Rest teilbar. Die 1 rechnet nicht zu ihnen; die kleinste Primzahl ist die 2.)

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